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09. Dezember 2004, von Michael Schöfer
Bewerbung

An
RWE-Power AG
(früher Rheinbraun AG)

Betr: Bewerbung

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie ich der Tagespresse entnehmen konnte, mußte der ehemalige Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Hermann-Josef Arentz, bedauerlicherweise seinen äußerst lukrativen Arbeitsplatz bei Ihrem Unternehmen aufgeben. Er soll Pressemeldungen zufolge seit 1992 von Ihnen jährlich 60.000 Euro - mithin das Doppelte des hiesigen Durchschnittslohns arbeitender Menschen - erhalten und darüber hinaus kostenlos Strom bezogen haben, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen. Da der Arbeitsplatz nun frei geworden ist, möchte ich mich hiermit bei Ihnen um diese unbesetzte Stelle bewerben.

Sie mögen vielleicht an meiner Qualifikation zweifeln, eine derartige Position zu Ihrer vollsten Zufriedenheit auszufüllen. Deshalb möchte ich Ihre, wie Sie noch sehen werden, völlig unberechtigten Bedenken mit ein paar aufschlußreichen Angaben zu meiner Person ausräumen.

1. Als Angehöriger des öffentlichen Dienstes bin ich für derartige Arbeitsplätze hervorragend geeignet, da ich Nichtarbeiten durch meine mehrjährige Beschäftigung beim Staat bereits seit langem gewohnt bin, wenngleich ich mir bei Ihnen hierfür ein wesentlich besseres Gehalt verspreche. Wie Sie vielleicht wissen, entlohnt der öffentliche Dienst seine Mitarbeiter normalerweise nur unterdurchschnittlich. Mein Gehalt würde sich durch eine Anstellung bei Ihnen nicht nur enorm erhöhen, ich könnte mir zugleich die hohen Fahrtkosten und das extrem lästige morgendliche Aufstehen ersparen, weil man bei diesem, von Herrn Arentz leichtfertig gekündigten Arbeitsplatz ja nicht erscheinen muß.

Darüber hinaus bedrücken mich in letzter Zeit, wie alle übrigen Bundesbürger auch, die recht hohen Energiepreise. Das wissen Sie als Energieversorger schließlich am besten. Ich werde deshalb sofort nach Aufnahme der Beschäftigung bei Ihnen meine Heizung auf Nachtspeicherheizung umstellen. Da ich den Strom künftig kostenlos beziehe, kann ich endlich rund um die Uhr kräftig durchheizen. Sie machen sich daher, sofern Sie meiner Bewerbung positiv gegenüberstehen, um mein körperliches Wohlbefinden und meine Gesundheit verdient. Nur ein Mitarbeiter, der zu Hause ein warmes Nest vorfindet, hat ausreichend Kraft für seine vielfältigen Freizeitaktivitäten.

2. Wenn man schon nicht arbeitet, soll man wenigstens feiern. Das wird dann üblicherweise in der Rubrik "Verbesserung des Betriebsklimas" eingeordnet. Als Angehöriger des öffentlichen Dienstes bin ich nicht verlegen, wenn es darum geht, entsprechende Anlässe zu finden, z.B. Etagenfest, Hoffest, gesellige Einweihung diverser Sozialräume oder sonstiger Gebäudeteile, Team-, Arbeitsgruppen-, Abteilungs- und Gesamtbetriebsausflug (die übrigen Anlässe, Geburts- und Namenstage, Ostern, Weihnachten, Heirat, Scheidung, Kindstaufe etc. kommen natürlich noch hinzu). Außerdem ist es besonders vorteilhaft, die Arbeitswoche spätestens am Freitag mittag um 13 Uhr mit einer Flasche Sekt und leckeren Butterbrezeln zu beschließen.

Wie Sie sehen, bringe ich jede Menge Erfahrung mit, davon könnte RWE nur profitieren. Immerhin werde ich bei Ihnen ja nicht für die Arbeit engagiert. Was liegt also näher, mich dann wenigstens für die Hebung des Betriebsklimas zu verwenden. Eine derartige Tätigkeit, sagen wir einmal pro Woche für wenige Stunden, würde mir ungeheuer zusagen. Ferner könnte niemand, wie das dem bedauernswerten Herrn Arentz passiert ist, bemängeln, ich würde bei Ihnen überhaupt keine Funktion ausüben. Fürs Feiern bin ich immer zu haben - Sie hoffentlich auch.

3. Als Angehöriger des öffentlichen Dienstes habe ich obendrein enorme Verwaltungserfahrung, dazu gehört u.a. große Servilität vor der jeweiligen politischen Führung, vorauseilender Gehorsam in der Umsetzung von Anweisungen (manchmal sogar bevor sie Gesetzeskraft erhalten) und Übung im Mobbing von aus der Reihe tanzenden Kollegen. Sie können mich demzufolge bedenkenlos in jedem Bundesland einsetzen, ich würde mich selbst mit der bayerischen Landesregierung glänzend verstehen. Die gemeinsamen Interessen des politischen Establishments und den Energieversorgern sind mir durchaus bewußt. Es bedarf deshalb keiner besonderen Erwähnung, daß ich mich - je nach Bedarf (sprich: politischer Windrichtung) - für regenerative Energiearten ebenso stark machen kann, wie für Ihre mehr als dreißig Jahre am Netz hängenden Atomkraftwerke. Notfalls besitze ich, genauso wie der bei Ihnen ausgeschiedene Herr Arentz, die vorteilhafte Fähigkeit, das im gemeinen Volk vorhandene Anspruchs- und Besitzstandsdenken sowie die weit verbreitete Abzockermentalität öffentlichkeitswirksam anzuprangern.

4. Es ist zweifellos von Vorteil, wenn man gut mit Geld umgehen kann. Und gerade darin ist der öffentliche Dienst unerreicht. Von wem werden so vorausschauend, manchmal über 50 Jahre hinweg, Brücken in die Landschaft gesetzt, lange bevor die dazugehörige Straße gebaut wird? Von keinem, nur vom öffentlichen Dienst. Privatunternehmen kämen gar nicht auf die Idee, rein prophylaktisch Brücken zu errichten, da es ihnen unbestreitbar an der notwendigen Prognosefähigkeit mangelt. Ihr Unternehmen würde mit Hilfe meiner exzellenten Beratung also auch den reibungslosen Übergang zum postfossilen Zeitalter bewältigen. Ich verrate Ihnen nicht zuviel, wenn ich andeute, daß ich zu Hause mit einem ans Stromnetz angeschlossenen Heimtrainer bereits den Prototyp der künftigen Energieversorgung ausprobiere. Nach Abschluß eines Sponsorenvertrags mit dem Gesundheitsministerium oder der AOK werde ich damit auf dem Energiemarkt gewiß große Erfolge feiern.

Wie Sie sehen, bin ich für den vakanten Job bestens geeignet. Für Ihre Zusage danke ich Ihnen im voraus und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Michael Schöfer

PS: Es wäre unserem Arbeitsverhältnis außerordentlich dienlich, wenn Sie mich noch vor Aufnahme meiner Tätigkeit über die Höhe des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes in Ihrem Unternehmen informieren würden.