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25. September 2005, von Michael Schöfer
Die Linkspartei und die Stasi


Die Stasi-Unterlagenbeauftragte Marianne Birthler hat in einem Interview sieben namentlich nicht genannten Bundestagsabgeordneten der Linkspartei vorgeworfen, früher als Inoffizielle Mitarbeiter (IM) für die Staatssicherheit der DDR gearbeitet zu haben. Sie sprach sich außerdem dafür aus, alle neuen Bundestagsabgeordneten zu überprüfen. [1]

Später bedauerte sie ihre Aussage: "Unter den Kandidaten der Linkspartei gab es bekannte Fälle, die ich bei meiner Äußerung im Blick hatte", sagte Birthler. "Nicht alle davon sind gewählt worden. Leider habe ich mich erst einige Tage später korrigiert. Ich hätte besser überhaupt keine Zahlen genannt." Ihre erste Äußerung sei demzufolge "wirklich nicht sehr glücklich gewesen". [2] "Ich freue mich, diese Zahl infolge des Wahlergebnisses nach unten korrigieren zu können und hoffe, dass es dabei bleibt", stellte Birthler klar. [3]

Der Wahlkampfleiter der Linkspartei und frisch gebackene MdB, Bodo Ramelow, warf der Stasi-Unterlagenbeauftragten daraufhin einen politisch motivierten Mißbrauch ihres Amtes vor. Er nannte Birthlers Aussagen "abenteuerlich", sie seien "an Ekelhaftigkeit nicht mehr zu überbieten". [4] "Frau Birthler hat gezeigt, dass sie nicht die notwendige Sachlichkeit an den Tag legt, um dieses Amt ausüben zu können. Sie sollte deshalb die Kraft haben, das Amt aufzugeben." [5]

Zunächst einmal gehört es im Rahmen des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (StUG) zu den Aufgaben der Stasi-Unterlagenbeauftragten (BStU), bestimmte Personen darauf zu überprüfen, "ob sie hauptamtlich oder inoffiziell für den Staatssicherheitsdienst tätig waren". [6] Insofern kann nicht pauschal von einem politisch motivierten Mißbrauch ihres Amtes gesprochen werden, wenn sie die Öffentlichkeit davon unterrichtet, daß neu gewählte Bundestagsabgeordnete der Stasi zugearbeitet haben. Zwar gehören Bundestagsabgeordnete nicht zu dem im Gesetz aufgeführten Personenkreis, doch ist Marianne Birthler zweifellos zuzustimmen, wenn sie deren freiwillige Überprüfung als "Akt der politischen Hygiene" bezeichnet.

Es sollte in der Tat eine Selbstverständlichkeit sein, daß sich Bundestagsabgeordnete freiwillig einer Stasi-Überprüfung unterziehen. Natürlich die MdBs von allen Fraktionen, nicht bloß die der Linkspartei. Schließlich haben auch Union und FDP Mitglieder der sogenannten "Blockflöten" (Ost-CDU, Liberaldemokratische Partei Deutschlands (LDPD), Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NDPD) und Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) in ihre Reihen aufgenommen. Diese Parteien galten in der DDR im Rahmen des "Antifaschistisch-demokratischen Blocks" (später "Nationale Front") als politische Handlanger der SED. Im Jahr 1990 vereinigten sich LDPD und NDPD mit der FDP, und die Ost-CDU mit der West-CDU. Für alle Parteien sollten die gleichen Maßstäbe gelten. Aber es gilt: Wer früher wissentlich der Stasi zugearbeitet hat, gehört nicht in ein demokratisches Parlament.

Gewiß, Marianne Birthler hätte vorsichtiger formulieren können. Doch die völlig überzogene Reaktion von Bodo Ramelow zeigt, wie schwer sich die Linkspartei nach wie vor mit ihrer Vergangenheitsbewältigung tut. Der Stasi-Unterlagenbeauftragten den Rücktritt nahezulegen, ist definitiv falsch. Geschickter wäre gewesen, Birthlers Forderung aufzugreifen und wie sie die Überprüfung sämtlicher MdBs zu fordern. Stattdessen sagte Ramelow lapidar, ob sich die neuen Bundestagsabgeordneten der Linkspartei einer freiwilligen Überprüfung unterziehen, will die Fraktion "zu gegebener Zeit" entscheiden. [7] Hier hat offensichtlich mal wieder Pawlow über die Vernunft gesiegt.

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[1] Frankfurter Rundschau vom 24.09.2005
[2] FAZ.net vom 25.09.2005
[3] Süddeutsche Zeitung vom 25.09.2005
[4] Frankfurter Rundschau vom 24.09.2005
[5] Süddeutsche Zeitung vom 25.09.2005
[6] BStU-online
[7] Frankfurter Rundschau vom 24.09.2005