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23. November 2008, von Michael Schöfer
Große Gefühle schenken


Die Christen feiern demnächst wieder Weihnachten. Und natürlich hat sich die Wirtschaft wie gewohnt gewissenhaft auf die vor uns liegenden Festtage vorbereitet. Der Einzelhandel weiß nämlich genau, was die Gläubigen wünschen. Doch was wird eigentlich an Weihnachten gefeiert? Etwa die Geburt des Stammhalters eines Kaufhausketten-Königs? Man könnte es angesichts des Konsumrummels fast annehmen. So heißt es beispielsweise in einem Werbeprospekt:

"Stilvolle Nacht, glanzvolle Nacht! Werden Sie zum strahlenden Mittelpunkt des Abends und beeindrucken Sie ihre Liebsten mit festlicher Kleidung und edlen Accessoires. (...) Feiern Sie aufs Fürstlichste mit einem Hauch von Luxus." Muss man wirklich daran erinnern, dass die Geschichte des Christentums der Legende zufolge in einem armseligen Stall in Betlehem begann? "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt", heißt es im Neuen Testament. Kann man diesem Anspruch mit "festlicher Kleidung" und einem "Hauch von Luxus" gerecht werden?

Dessen ungeachtet verspricht uns das Prospekt "Luxus, Pracht und Hochgenuss". So kommt bestimmt festliche Stimmung auf. Weihnachten ist offenbar bloß noch ein Synonym fürs ungehemmte Konsumieren. Schöner die Kassen nie klingeln. Alle angepriesenen Geschenke werden übrigens im "edlen Geschenkkarton" geliefert, angeblich "ein echter Hingucker" und "fertig zum Überreichen". So wird "große Gefühle schenken" ganz leicht.

Darunter sind zum Beispiel "verführerisch schöne Dessous". "Das Hemdchen aus weichem Tüll mit feiner Spitze und dem dazugehörigen String fühlt sich angenehm auf der Haut an. (...) Das Fest kann kommen! Mit diesen eleganten Outfits ist Ihnen der große Auftritt an Weihnachten sicher", erfahren wir. "Was für ein Auftritt! Längst sind die Blicke nicht mehr auf die Geschenke gerichtet, sondern nur noch auf die Gastgeberin." Wie bitte, wird etwa die Dame des Hauses am Heiligen Abend mit ihren "verführerisch schönen Dessous" einen Tabledance aufführen? Und das, obgleich Religionen, das Christentum ist hier leider keine Ausnahme, in der Regel ziemlich lustfeindlich sind? Nun, wenn's dem Umsatz dient...

Das beste Weihnachtsgeschenk sind in meinen Augen nicht die "besonders fein gestrickten Herren-Socken", der "windstabile Automatik-Taschenschirm mit einem Gestänge aus robustem Aluminium" oder die "atmungsaktiven Unterhosen mit perfekter Passform und weichem Gummiband", sondern verständlicherweise der "zauberhaft verführerische Magic-Push-up-BH". "Du bist das Fest für die Sinne", lautet das Versprechen. Obgleich Push-up-BHs bekanntlich etwas vortäuschen, das in Wahrheit gar nicht, oder wenigstens nicht in diesen Ausmaßen, vorhanden ist. Vorsicht, unter Umständen kann das beim Auspacken zu herben Enttäuschungen führen.

In diesem Sinne: fröhliche Weihnachten.