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12. Juli 2009, von Michael Schöfer
Diesmal meinen wir es aber wirklich ernst


Männer, die ihre Frauen schlagen, beteuern in der Regel, es nie wieder zu tun. Dennoch werden sie immer wieder handgreiflich. Deren Versprechen sind genauso wenig glaubwürdig wie die heiligen Eide der Radprofis, nie wieder zu dopen und von jetzt an absolut sauberen Sport zu zeigen. Ähnliches erleben wir regelmäßig bei Gipfelkonferenzen, so auch dieser Tage beim G8-Gipfel im italenischen L'Aquila.

"Die Entwicklungsziele werden noch einmal unterstrichen. Danach müssen die großen Wirtschaftsmächte bis 2015 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Entwicklung zur Verfügung stellen. Die Nahrungshilfen müssen nach Ansicht der Staats- und Regierungschefs umgestellt werden. So soll nicht die Soforthilfe bei Hungerkatastrophen im Vordergrund stehen, sondern eine nachhaltige Landwirtschaft vor allem in Afrika." [1] Die Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des BIP anzuheben, das versprach man bereits im Jahr 2005 beim G8-Gipfel im schottischen Gleneagles. Die Realität: Gegenwärtig kommen die G8-Staaten gerade mal auf 0,29 Prozent.

Die nachhaltige Landwirtschaft soll also gefördert werden. Es heißt, Ziel sei die Förderung der Bauern vor Ort. Der Bauern in Afrika, wohlgemerkt. Und warum setzt sich dann beispielsweise Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) dafür ein, die Exportsubventionen der EU für Käse zu erhöhen? [2] Wie überhaupt den Europäern das Hemd offenbar näher ist als der Rock. 2007 hatte die Union die Exportsubventionen für Butter, Käse sowie Voll- und Magermilchpulver zunächst gestoppt, aber angesichts des Milchpreisverfalls Anfang 2009 wieder eingeführt. Es sind doch gerade die Exportsubventionen, die in den Entwicklungsländern die lokalen Märkte zerstören, weil die einheimischen Bauern nicht mit den subventionierten Lebensmittelimporten aus den Industriestaaten konkurrieren können. So haben wir es gerne: Angela Merkel macht auf dem G8-Gipfel einen auf Nächstenliebe, während zur gleichen Zeit daheim ihre Landwirtschaftsministerin die Messer wetzt.

Wenn die Klimabeschlüsse von L'Aquila ebenfalls Lippenbekenntnisse bleiben, ist den Küstenbewohnern anzuraten, sich langsam einen Dummen zu suchen, der ihnen ihre Grundstücke abkauft. Steigt nämlich der CO2-Gehalt der Erdatmosphäre immer weiter, ist eine drastische Erhöhung des Meeresspiegels absehbar. "Der Eispanzer der Antarktis stellt den weltweit größten Süßwasserspeicher dar. Zur Zeit wird sein Volumen auf etwa 24.7 Mio. Kubikkilometer geschätzt; ein vollständiges Abschmelzen würde den Meeresspiegel um etwa 56.6 m erhöhen. Der zweitgrößte Speicher ist der Grönländische Eisschild. Sein Volumen wird auf 2.9 Mio. Kubikkilometer geschätzt; sein Abschmelzen würde den Meeresspiegel um etwa 7.3 m ansteigen lassen." [3] Das sind dann zusammen 63,9 Meter. Bremen liegt 3 Meter über Normalnull, Hamburg 6 Meter und Berlin zwischen 34 und 115 Meter. 2100 könnte zumindest Bremen bereits "Land unter" melden.


Änderung des Meeresspiegels [Quelle: IPCC]

In der Vergangenheit ließ sich Angela Merkel gerne als Klimavorreiterin feiern, hat dann aber harte Auflagen für die deutsche Autoindustrie stets zu mildern gewusst. [4] "Die G8 sind der Auffassung, dass weltweit die Kohlendioxid-Emissionen um 50 Prozent reduziert werden müssen. Die alten Industrieländer sollen dabei ihren Schadstoffausstoß bis 2050 um 80 Prozent oder mehr gegenüber 1990 oder folgenden Jahren zurückfahren", forderten die Politiker in L'Aquila. Diesmal meinen wir es wirklich ernst, versichern sie. Man muss dennoch abwarten, wie viel davon Realität wird. Den Radprofis glauben ja auch bloß noch die Einfältigen. Leider ist genau das die Crux: Abwarten können wir uns eigentlich nicht mehr leisten.

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[1] tagesschau.de vom 11.07.2009
[2] AFP
[3] Max-Planck-Institut für Meteorologie
[4] manager-magazin vom 02.12.2008