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25. August 2009, von Michael Schöfer
Egoismus pur


CDU/CSU und FDP streben zwar nach der Bundestagswahl eine sogenannte "bürgerliche Mehrheit" an, das hindert sie allerdings nicht, kräftig aufeinander einzuschlagen. Der Streit ging zuletzt Guido Westerwelle gehörig auf den Wecker, weshalb er unmissverständlich forderte: "'Jetzt ist Schluss mit lustig.' (…) Die Union kämpfe gegen seine Partei statt sich gegen SPD, Grüne und Linke zu wenden, sie schieße 'aufs falsche Tor'." [1] Doch Westerwelle sollte sich keinen Illusionen hingeben, weder Merkel noch Seehofer haben irgendetwas zu verschenken. Den letzten Umfragen zufolge kommt die Union auf gerade 36 oder 37 Prozent - viel zu wenig nach 4 Jahren angeblich erfolgreicher Kanzlerschaft (2005 erhielten die Konservativen 35,2 Prozent). Bei aller Liebe, solange es am Ende für Schwarz-Gelb reicht, kann die Union der FDP daher aus der Sicht des Konrad-Adenauer-Hauses ruhig noch ein paar Prozentpunkte abnehmen. Mit anderen Worten: Der Egoismus triumphiert. Die Union darf es bloß nicht überreizen, sonst freuen sich womöglich abermals andere.

Keinen Illusionen sollte man sich auch in Bezug auf Opel hingeben. Warum sollte General Motors Opel hergeben? Falls es irgendwie geht, muss GM Opel im Konzernverbund halten, da die Amerikaner gerade jetzt auf die Technologie aus Rüsselsheim angewiesen sind. Heute sogar mehr denn je. Hier triumphiert also ebenfalls der Egoismus. Die politischen Befindlichkeiten in Berlin und die Interessen der Opelaner sind, so bitter das für die Betroffenen ist, in Detroit bzw. Washington gewiss nebensächlich. Sofern General Motors, worüber momentan heftig spekuliert wird, tatsächlich an einem Finanzierungsplan bastelt, der den Verkauf von Opel an Magna oder RHJ überflüssig werden lässt, ist die Verzögerungstaktik aus der Sicht von GM verständlich, selbst wenn es hierzulande alle Akteure - wenigstens offiziell - mächtig nervt. Jeder handelt eben nach seinen eigenen Interessen, und die sind bekanntlich keineswegs deckungsgleich.

Vor diesem Hintergrund ist die entscheidende Frage: Hat die deutsche Politik einen "Plan B"? (Nein, ich meine jetzt nicht die "geordnete Insolvenz", von der neuerdings in Adelskreisen so gerne gesprochen wird.) Deutschland wird General Motors kaum zur von der Bundesregierung favorisierten Lösung, den Verkauf an Magna, zwingen können. Es wäre daher klug, Alternativen zur Hand haben, um auch bei einem Verkauf an RHJ oder einer GM-internen Lösung möglichst viele Arbeitsplätze zu retten. Die Haltung, "eine staatliche Überbrückungshilfe bekommt ausschließlich Magna" (Bundesfinanzminister Peer Steinbrück), ist offen gestanden ein bisschen kindisch. Anders ausgedrückt: unprofessionell. Okay, Berlin pokert genauso wie die GM-Zentrale, immerhin ist Wahlkampf. Doch Anhänger dieses Kartenspiels wissen, wenn man beim Pokern gewinnen will, muss man entweder hervorragend bluffen können oder gute Karten in der Hand halten. Nur aufs Bluffen würde ich mich jedenfalls nicht verlassen.

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[1] Spiegel-Online vom 25.08.2009