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30. November 2009, von Michael Schöfer
Der alte Antisemit


Friedrich II., den meisten besser bekannt unter seinen Beinamen der "Alte Fritz" und "Friedrich der Große", gilt vielen heute noch als Vorbild. Oh, hat er nicht die Folter abgeschafft? Oh, hat er nicht mit Voltaire korrespondiert? Oh, war er nicht ein großer Feldherr? Ja, er verbot die Folter, das war sogar vergleichsweise fortschrittlich. Ja, er pflegte den Gedankenaustausch mit dem französischen Philosophen, blieb aber trotzdem zeitlebens ein absolutistischer Monarch. Zur Erinnerung: In Preußen galt damals noch die Leibeigenschaft. Und auf dem Schlachtfeld war seine Bilanz alles andere als berauschend. So gewann er von den 16 Schlachten, die er im Siebenjährigen Krieg schlug, nur die Hälfte. Okay, er hat ihn am Ende dennoch gewonnen.

Aber was viele gar nicht wissen, der "Alte Fritz" war kein Judenfreund. Im Gegenteil, er war sogar ein glühender Antisemit:

"Der 'Erlaß eines Revidierten General-Privilegiums und Reglements für die Judenschaft im Königreich Preußen' (1750) gliederte die Juden in sechs Klassen mit unterschiedlichem Niederlassungsrecht. Zur ersten Klasse zählten die Wohlhabendsten, die mit einem persönlichen Privileg (Schutzbrief) versehen wurden, das sie faktisch christlichen Bürgern gleichstellte. Sämtliche legitimen Kinder dieser wenigen, in der jüdischen Gemeinde 'Hausväter' genannten 'Generalprivilegierten' waren niederlassungsberechtigt, ebenso ihre zahlreiche jüdische 'Bedientenschaft'. Die Schutzjuden der zweiten Klasse durften sich nur in dem ihnen zugewiesenen Ort aufhalten; dieses Wohnrecht war auf ein Kind vererbbar, zwei weitere konnten gegen Nachweis von 1000 Talern 'angesetzt' werden. Die Rechte der 'außerordentlichen' Schutzjuden waren nicht vererbbar, aber gegen 1000 Taler auf ein Kind übertragbar. Zu dieser dritten Klasse gehörten die freien Berufe – Ärzte, Anwälte, Künstler. Die vierte Klasse stellten Rabbiner und Gemeindebeamte, deren Wohnrecht an die Amtsdauer gekoppelt war. Zur fünften Klasse gehörten die 'geduldeten' Juden, die als Kinder von Juden der zweiten, dritten und vierten Klasse kein eigene Wohnerlaubnis erworben hatten. Sie waren rechtlos, die Heirat war ihnen verboten. Darin gleich waren ihnen die Dienstboten und kaufmännischen Angestellten der Schutzjuden, die die sechste Klasse bildeten. Die Zahl der 'Schutzjuden' wurde auf 203 ordentliche und 63 außerordentliche festgelegt. Die drei obersten Klassen hafteten gemeinsam für die Abgabenentrichtung der jüdischen Gemeinde. Diese Kollektivhaftung wurde später auf Bankrotte und Wechselbetrug ausgedehnt."

Er verschärfte damit die Judenpolitik seines Vaters:

"Schon Friedrich Wilhelm I. (König von 1713-40) zielte auf eine Begrenzung der Judenzahl in seinen Landen, unter gleichzeitiger Ausnutzung ihrer Wirtschaftskraft. Seit 1713 war der Schutzbrief nur an den ältesten Sohn vererbbar, zwei weitere Söhne konnten ihn gegen hohe Summen erlangen. Die übrigen Söhne mussten unverheiratet, und damit kinderlos, bleiben, oder auswandern. Außerdem waren von der Gemeinde jährlich 15.000 Taler abzuführen und an den Zollschranken der erniedrigende, weil sonst nur für Vieh übliche Leibzoll zu entrichten. Das General-Reglement von 1730 beschränkte die Zahl der jüdischen Familien in Berlin auf 100. Trotz der Restriktionen wuchs die Zahl der in Brandenburg lebenden jüdischen Familien weiter an. Als 1750 das Generalprivileg erging, lebten in Brandenburg 4716 Juden, davon allein 2188 in Berlin, das entsprach 1,93 Prozent der Stadtbevölkerung. Davon waren schätzungsweise die Hälfte (...) ohne eigenes Aufenthaltsrecht." [1]

Das erinnert doch eher an die dunkelste Epoche Deutschlands. Nein, der "Alte Fritz" ist wahrlich kein Vorbild. Und als Beinamen hätte man ihm auch der "Alte Antisemit" beifügen können, das hätte ebenfalls gepasst.

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[1] Wikipedia, Revidiertes General-Privileg