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23. Februar 2011, von Michael Schöfer
Wo bleibt das Positive?


Genervt sitze ich vor der Glotze und sehe nur noch Mord und Totschlag. Seit Wochen wird täglich stundenlang über die Revolutionen in den arabischen Ländern berichtet. Nachdem diese in Tunesien und Ägypten vergleichsweise unblutig über die Bühne gingen, lässt der libysche Staatschef Muammar al Gaddafi sein Volk gnadenlos zusammenschießen. Nun, Gaddafis Geisteszustand war ohnehin schon von jeher recht zweifelhaft, das hätte er aber nicht noch einmal mit Luftwaffen-Bombardements und bizarren Fernsehauftritten bestätigen müssen, das hätten wir ihm nämlich auch so geglaubt. Der Einzige, der das bislang übersehen hat, ist Gaddafis italienischer Freund Silvio Berlusconi. Ich bin froh, wie konsequent die EU über die Lage in Libyen diskutiert (sie berät derzeit in den zuständigen Arbeitsgruppen), das wird den Diktator gewiss schwer beeindrucken.

Das miese Spiel von "Dr. a.D." Karl-Theodor zu Guttenberg nervt mich inzwischen ebenfalls. Innerhalb von sechs Tagen von "Der Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus" bis zu "Den Blödsinn, den ich da geschrieben habe". Dennoch kein Rücktritt. Als ein gewisser John Lennon vor Jahrzehnten behauptete "We’re more popular than Jesus now", wäre er fast gekreuzigt worden. Angesichts der religiösen Inbrunst, mit der seine Anhänger trotz aller Vorwürfe am lieben "KT" festhalten, könnte Guttenberg durchaus behaupten: "Ich bin momentan populärer als Jesus." Mit der gebotenen Demut, versteht sich. Und das würden ihm seine Fans bestimmt auch noch abkaufen. Einfach irrational. Guttenbergs erster Versuch mit dem "Dr. jur." ist jedenfalls kläglich gescheitert. Sic transit gloria mundi (so vergeht der Ruhm der Welt). Doch vielleicht wird er irgendwann wenigstens "Dr. h.c.". Großer Vorteil: Dazu muss er nicht einmal abkupfern.

Sind Sie jetzt genauso angeekelt und fragen: Wo, bitteschön, bleibt das Positive? Gut, versuchen wir es mal mit der Liebe. Liebe geht immer, wenngleich das Thema schnell ins Seichte abdriftet. Aber selbst auf diesem Gebiet erreichen uns andauernd Hiobsbotschaften. So hat die kolumbianische Sängerin Shakira ihren langjährigen Verlobten Antonio de la Rua noch Mitte letzten Jahres "als Mann ihres Lebens" bezeichnet. "Ihn kennenzulernen war wie ein Sechser im Lotto." [1] Jetzt hat sich de la Rua allerdings doch bloß als Dreier ohne Zusatzzahl entpuppt, Shakira hat mittlerweile einen anderen. Schlimmer treibt es nur "Loddar" Matthäus, der wechselt "die Liebe seines Lebens" ständig. Nennen Sie das positiv?

Es ist vielmehr deprimierend: Bei Google kommen mit dem Suchbegriff "die Liebe meines Lebens" 2,8 Mio. Treffer heraus. Ich will gar nicht wissen, was aus denen geworden ist. Der Begriff "haben sich getrennt" ist bei der Suchmaschine mit 716.000 Treffern vertreten. "Scheidung" kann sogar mit 3,2 Mio. Treffern aufwarten. Von daher kann man sich schon manches denken. Lassen wir das. Sie sehen, positive Nachrichten zu finden, ist gar nicht so leicht. Wie soll ich Ihnen hier das Positive präsentieren? Das grenzt fast ans Unmögliche, denn auch die Liebe ist neuerdings höchst unzuverlässig geworden. Im Börsianer-Deutsch: viel zu volatil. Ich fürchte, wir werden uns deshalb weiterhin vorwiegend mit den Untiefen des Lebens beschäftigen müssen. Es tut mir unendlich leid. Also bis demnächst, wenn ich mich wieder in politischen Skandalen, verheerenden Katastrophen und menschlichen Abgründen suhlen darf.

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[1] Promiflash vom 29.06.2010