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12. März 2011, von Michael Schöfer
Die Dagegen-Parteien


Die Grünen sind, zumindest wenn man der Union Glauben schenken will, eine "Dagegen-Partei". Alarmiert von den guten Umfrageergebnissen der Umweltpartei mussten sich die Konservativen unbedingt etwas einfallen lassen. Ergebnis der Argumentationssuche ist die "Dagegen-Partei"-Kampagne. Den Grünen soll das Etikett der Fortschrittsfeindlichkeit angehängt werden. Doch wie beispielsweise die Atomkatastrophe in Japan gezeigt hat, sind in Wahrheit CDU und CSU die "Dagegen-Parteien". Die schwarz-gelbe Regierungskoalition hat den Ausstieg aus dem Atomausstieg beschlossen und riskiert dadurch auch bei uns ähnlich verheerende Atomunfälle. Wie lange sollen denn die Schrottreaktoren noch laufen? Bis tatsächlich etwas passiert? CDU und CSU halten eine gefährliche und anachronistische Technologie am Leben - zum Nachteil der regenerativen Energieträger, denen zweifellos die Zukunft gehört.

Aber die Konservativen sprechen sich auch gegen andere sinnvolle Dinge aus: CDU und CSU sind zum Beispiel gegen den gesetzlichen Mindestlohn, der wenigstens absolute Hungerlöhne verhindern soll. Die Union ist gegen die Beteiligung der Spekulanten an der Beseitigung der Kosten der Finanzkrise. Sei redet zwar immer davon, dafür getan hat sie bislang jedoch wenig. Zahlen sollen nicht die Verursacher, sondern - wie immer - die Bürger. Die Union ist gegen die Bürgerversicherung und propagiert weiterhin eine verkorkste Gesundheitsreform. Die Union ist gegen eine Entwaffnung der Sportschützen, egal wie viele Amokläufe es in Zukunft noch geben wird. Und die Union ist gegen menschenwürdige Hartz IV-Regelsätze.

Dass den Grünen ausgerechnet von der rückwärtsgewandten Union Fortschrittsfeindlichkeit vorgeworfen wird, ist eine absurde Verdrehung der Tatsachen. Es sind doch gerade CDU und CSU gewesen, die in der Vergangenheit bis zum Schluss an überholten Gesellschaftsmodellen festgehalten haben, sie sind anderen in vielen Bereichen förmlich hinterhergehechelt. Beispiel Frauenquote: "Die Grünen beschlossen bei ihrer Parteigründung 1979 eine Frauenquote: mindestens die Hälfte aller Ämter sollen weiblich besetzt sein. Die SPD beschloss 1988 eine 40-Prozent-Geschlechterquote für Ämter und Mandate. Die CDU diskutierte im Dezember 1994 einen Anteil von einem Drittel und führte 1996 ein sogenanntes Frauenquorum ein." Von der CSU ganz zu schweigen: "Die CSU hat an ihrem Parteitag am 29. Oktober 2010 beschlossen, dass künftig oberhalb der Orts- und Kreisverbände in den CSU-Gremien 40 Prozent der Ämter mit Frauen besetzt werden. Auf Orts- und Kreisebene gilt die Regelung als unverbindliche Empfehlung." [1] Merken Sie etwas: Grüne 1979, SPD 1988, CDU 1996 und CSU erst 2010. Willkommen im 21. Jahrhundert.

Wenn er witzig wäre, könnte man über den schlichten Anti-Grünen-Spot ("Ein Männlein steht im Walde, ganz grün und dumm") [2] des noch schlichteren CSU-Generalsekretärs Alexander Dobrindt wenigstens lachen. Doch ich fürchte, der Spot ist repräsentativ für den Geisteszustand der C-Parteien, die zwar gerne "Dafür-Parteien" wären, aber genau besehen doch bloß "Dagegen-Parteien" sind. Die echten "Dagegen-Parteien". Man kann nur hoffen, dass die CDU dafür bei den anstehenden Landtagswahlen den verdienten Denkzettel bekommt.

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[1] Wikipedia, Frauenquote, Deutschland
[2] YouTube