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06. November 2011, von Michael Schöfer
Gebetsmühlenhaft


Abschlusserklärung G20-Gipfel 2008: "Wir verpflichten uns zu gewährleisten, dass alle Finanzmärkte, Produkte und Akteure reguliert oder überwacht werden." [1]

Abschlusserklärung G20-Gipfel 2009: "Alle Finanzmärkte, -produkte und Marktteilnehmer müssen lückenlos und unabhängig davon, wo sie ihren Sitz haben, einer angemessenen Aufsicht oder Regulierung unterstellt werden." [2]

Angela Merkel 2010: "Über das Ziel, dass jedes Finanzprodukt, jeder Finanzplatz und auch jeder Akteur in Zukunft geregelt werden müsse, herrsche 'große Einigkeit'." [3]

Angela Merkel auf dem G20-Gipfel 2011: "Jeder Akteur, jeder Platz, jedes Instrument muss einer Regulierung unterworfen werden." [4]

Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Wetten, dass es auch 2012 wieder heißen wird: "Jeder Akteur, jeder Platz, jedes Instrument muss einer Regulierung unterworfen werden." So will man Schattenbanken (z.B. Hedgefonds, Private-Equity-Gesellschaften) künftig stärker überwachen, versprachen die Staats- und Regierungschefs auf dem G20-Gipfel in Cannes. [5] Doch das hatten sie bereits auf dem G20-Gipfel 2008 in Washington zugesichert. Und was ist seitdem passiert? Faktisch nichts. Im Gegenteil, der Schattenbankenbereich ist unterdessen sogar noch angewachsen und umfasst heute Schätzungen zufolge ein Volumen von 60 Billionen US-Dollar, das macht ungefähr 25 bis 30 Prozent des globalen Finanzsystems aus. [6] 60 Billionen Dollar entsprechen fast genau dem Bruttoinlandsprodukt der gesamten Welt (2009: 57,9 Billionen). [7] Wenn da etwas schief geht, hilft kein Rettungsfonds mehr, so viel Geld hat niemand.

"Dies ist die letzte Chance", warnte Sarkozy vor dem G20-Gipfel. "Wir wollen eine Neugründung des Systems." Das sagte er allerdings schon 2009, im Vorfeld des G20-Gipfels in London. [8] So wie es derzeit aussieht, haben die Politiker ihre "letzte Chance" wahrscheinlich versiebt, die "Neugründung des Finanzsystems" ist nämlich bislang ausgeblieben. Und daher werden wir auch in Zukunft gebetsmühlenhaft die Forderung nach einer stärkeren Regulierung der Finanzmarktakteure hören. Doch ob endlich einmal etwas Substanzielles passiert, ist fraglich. Aber wenn es dann zum ganz großen Crash kommt, wird es heißen: Ach, hätten wir doch...

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[1] tagesschau.de vom 15.11.2008
[2] Bundeszentrale für politische Bildung vom 24.02.2009
[3] Bundesregierung vom 27.06.2010
[4] Stern.de vom 05.11.2011
[5] Die Presse.com vom 04.11.2011
[6] NZZ-Online vom 02.11.2011
[7] Wikipedia, Liste der Länder nach Bruttoinlandsprodukt
[8] Focus-Online vom 22.02.2009