Home | Archiv | Leserbriefe | Impressum



31. Mai 2012, von Michael Schöfer
Das Volk stimmt über Managergehälter ab


Seit Jahren regen wir uns über raffgierige Zeitgenossen auf. Nur ein paar Beispiele aus der langen Liste: Josef Ackermann bekam für das Jahr 2009 als Chef der Deutschen Bank fast 9,6 Mio. Euro überwiesen (1,3 Mio. Fixgehalt, den Rest als Bonus). 580 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der achtköpfige Vorstand der Deutschen Bank verdiente 2009 zusammen knapp 39 Mio. Euro. [1] Der ehemalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking kassierte im Geschäftsjahr 2007/2008 77,4 Mio. Euro. [2] Hierzulande ist derzeit wohl VW-Chef Martin Winterkorn der bestbezahlte Manager: 17,4 Mio. Euro Gehalt für 2011. "Insgesamt zahlte VW seinen acht obersten Managern im vergangenen Jahr 70,6 Millionen Euro, doppelt so viel wie im Vorjahr." [3]

Das verursacht bei Normalverdienern bestenfalls ein ungläubiges Kopfschütteln, vielen steigt sogar die Zornesröte ins Gesicht. Während nämlich die Einkommen der Durchschnittsverdiener seit 20 Jahren real gesunken sind, die Nettorealverdienste pro Jahr und Arbeitnehmer gingen zwischen 1991 und 2011 von 18.557 € auf 17.650 € zurück [4], sind die Managergehälter förmlich explodiert. Das Ganze schlägt jedoch in Wut um, wenn Manager trotz erwiesener Erfolglosigkeit Millionen einsacken. In Spanien muss beispielsweise das Geldinstitut "Bankia" vom Steuerzahler vor der Pleite bewahrt werden. 19 Mrd. Euro sind fällig, obgleich Bankia vom Staat schon einmal 4,5 Mrd. Euro als Unterstützungsleistung bekam. 2011 ist bei Bankia ein Verlust von 3,3 Mrd. Euro aufgelaufen, dennoch hat ein Verwaltungsratsmitglied eine Abfindung in Höhe von knapp 14 Mio. Euro erhalten. [5] Demgegenüber hat die konservative spanische Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy die Abfindung für Arbeitnehmer, denen grundlos gekündigt wird, gerade drastisch reduziert.

In Deutschland gab es etliche Versuche, die zu Recht als unverschämt hoch empfundenen Managergehälter zu begrenzen. Das dürfte aber zumindest auf direktem Weg aus verfassungsrechtlichen Gründen kaum möglich sein, weil die Eigentümer eines Unternehmens schließlich selbst darüber entscheiden können, wie viel ihnen die Vergütung ihres Managements wert ist. Moral ist in Unternehmen ohnehin kein Maßstab - höchstens wenn es ums Firmenimage geht. Moral beschränkt sich leider allzu oft auf Public Relations. Die SPD hat daher bereits vor einiger Zeit vorgeschlagen, zur Eindämmung von Gehaltsexzessen die steuerliche Abzugsfähigkeit von Vorstandsvergütungen und -abfindungen auf eine Million zu begrenzen. "Vorstandsvergütungen oberhalb einer Million Euro sollen nur noch zur Hälfte steuerlich geltend gemacht werden. (…) Die Linke fordert den steuerlichen Betriebsausgabenabzug für Geschäftsführungs-, Vorstands- und Aufsichtsratsvergütungen auf das 20fache des Lohnes eines Facharbeiters bei Vollzeitbeschäftigung in der untersten Lohngruppe zu begrenzen. Die Grünen wollen die steuerliche Abzugsfähigkeit auf 500.000 Euro pro Vorstandsmitglied begrenzen." [6] Seitdem ist das Vorhaben stets an der Mehrheit der Regierungsparteien gescheitert. Bislang können Managergehälter in voller Höhe steuermindernd als Betriebsausgaben geltend gemacht werden, folglich müssen die Bürger die von ihnen beklagten Gehaltsexzesse gezwungenermaßen mitfinanzieren.

Doch nun darf das Volk selbst darüber abstimmen. Es hat sogar die Wahl zwischen dem Vorschlag der "Abzocker-Initiative" und der "Bonussteuer". Die Abzocker-Initiative will Lohn- und Bonusexzesse durch eine Stärkung der Aktionärsrechte eindämmen, sie fordert u.a. "jährliche Abstimmungen der Aktionäre über die Gesamtsumme der Vergütungen des Verwaltungsrats, des Beirats sowie der Geschäftsleitung". [7] Die Bonussteuer hingegen begrenzt den steuerlichen Abzug eines Gehalts auf drei Millionen, bei einem Lohn von vier Millionen würde also eine Million der Bonussteuer unterliegen. [8] Der drei Jahre währende parlamentarische Streit wird voraussichtlich im Frühjahr 2013 vom Volk entschieden.

Allerdings nur in der Schweiz, denn dort herrscht bekanntlich die direkte Demokratie. Das ist eben der kleine, aber entscheidende Unterschied. Haben Sie sich jetzt etwa zu früh gefreut? Schade. In Deutschland sind solche Volksabstimmungen nach wie vor die absolute Ausnahme, zum Beispiel bei "Stuttgart 21". Wir dürfen nicht einmal über die milliardenschweren Rettungspakete für Griechenland oder den Fiskalpakt abstimmen. Offenbar sind Schweizer wesentlich intelligenter als Deutsche, denn dort traut man dem Volk sogar zu, schwierige steuerpolitische Entscheidungen zu treffen. Im Februar 2009 durfte das Volk im Kanton Zürich über die sogenannte Pauschalsteuer abstimmen. Die "Pauschalbesteuerung ist eine Regel des schweizerischen Steuerrechts. Sie sieht vor, dass ausländische Staatsangehörige, die in der Schweiz Wohnsitz haben, aber hier nicht erwerbstätig sind, auf der Grundlage ihres (Lebens-)Aufwands besteuert werden können, statt wie alle anderen Steuerpflichtigen auf der Grundlage ihres Einkommens und Vermögens. Die nach dem Aufwand bemessene Steuer ist in der Regel deutlich tiefer als die normal bemessene. (…) 52,9 % der Stimmberechtigten befürworteten die Abschaffung der Pauschalsteuer gegen die Empfehlung des Zürcher Kantonsrats und des Regierungsrats." [9] Auch in anderen Kantonen fanden bzw. finden Referenden über die Pauschalbesteuerung statt. [10]

Natürlich bergen Volksabstimmungen ein gewisses Risiko: Das Volk könnte billigem Populismus auf den Leim gehen und irrationale Beschlüsse fassen, fürchten viele. Doch ist die Schweiz, obgleich es bei unserem südlichen Nachbarn seit 1848 Volksabstimmungen gibt [11], bis dato weder im Chaos versunken noch hat sich dort der Kommunismus breit gemacht. Insofern ein ermutigendes Vorbild. Trotzdem bin ich in einer Hinsicht pessimistisch: Unsere Politiker lassen Deutschland lieber in Politikverdrossenheit versinken, als dem Volk ein echtes Mitspracherecht einzuräumen. Volksabstimmungen auf Bundesebene - davon können wir weiterhin nur träumen. Oder in die Schweiz auswandern.

----------

[1] Focus-Money vom 16.03.2010
[2] Die Welt-Online vom 28.05.2009
[3] Spiegel-Online vom 12.03.2012
[4] Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Arbeitsmarktstatistiken, Statistisches Taschenbuch 2011, Tabelle 1.15, Nettorealverdienste = Bruttobezüge abzüglich der Lohnsteuer, der tatsächlich bezahlten Sozialbeiträge der Arbeitnehmer und dem Preisindex für Lebenshaltungskosten
[5] Frankfurter Rundschau vom 30.05.2012
[6] Das Parlament vom 21.09.2009
[7] Neue Zürcher Zeitung-Online vom 09.03.2012
[8] Basler Zeitung vom 31.05.2012
[9] Wikipedia, Pauschalbesteuerung
[10] siehe Initiative für die Abschaffung der Pauschalbesteuerung
[11] siehe Wikipedia, Liste der eidgenössischen Volksabstimmungen