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17. Februar 2013, von Michael Schöfer
Ach Gott, die Papstwahl


Nach dem überraschenden Rücktritt von Joseph Aloisius Ratzinger alias Benedikt XVI. wird in den Medien wild darüber spekuliert: Wer wird der Nachfolger? Ein Konservativer? Ein Reformer? Einfache Antwort: Egal, die katholische Kirche bleibt auch danach die katholische Kirche. Das heißt in Bezug auf den neuen Papst: Selbst ein Reformer wird sich höchstens zu kosmetischen Reformen durchringen - sofern die Kardinäle überhaupt einen Reformer wählen. Und ein Reformpapst wird gewiss kein Linker sein. Es ist ähnlich wie in den USA, wo die Demokratische Partei zwar als links gilt, sich aber gemessen am hiesigen politischen Spektrum eher auf der Linie von CDU/CSU bewegt. Im Kern bleibt die Kirche also zweifellos das, was sie seit nahezu zwei Jahrtausenden ist. Wer diesbezüglich irgendwelche Illusionen hegt, wird wohl bitter enttäuscht.

Was bleibt vom Pontifikat Ratzingers in Erinnerung? Ein paar Ungeschicklichkeiten (das Problem mit den Piusbrüdern, die als islamfeindlich empfundene Regensburger Rede) und natürlich der für katholische Verhältnisse vollkommen ungewöhnliche Rücktritt. Mit Letzterem ist ihm ein herausgehobener Platz in den Geschichtsbüchern sicher. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Immer wieder werden die Päpstliche Enzykliken angeführt (Deus caritas est - Gott ist Liebe, Spe Salvi - Auf Hoffnung hin gerettet und Caritas in veritate - Die Liebe in der Wahrheit). Doch mal ehrlich: Wer kennt die? Wer hat sie gelesen? Außer ein paar Eingeweihten vermutlich kaum jemand. Oder seine Trilogie "Jesus von Nazareth", angeblich ein Bestseller, kurzzeitig sogar begehrter als "Harry Potter". Nun ja...

Päpste kommen und gehen. Und viele behaupten ohnehin, Benedikts XVI. sei bloß ein Übergangspapst gewesen. Doch Übergang wohin? Ketzerische Frage: Wen interessiert überhaupt, wer im Vatikan den Bischof von Rom spielen darf? Immer weniger. Die Kirchgänger in den Industriestaaten nehmen ab, und davon sind die meisten sowieso bereits im Rentenalter. Da ist das Schicksal der Kirche quasi vorprogrammiert. Ob die heutigen Facebook-Kids in 30 oder 40 Jahren noch zur Kirche gehen werden, ist nämlich äußerst unwahrscheinlich. Die organisierte Religion wird peu à peu an den Rand gedrängt, insbesondere eine so konservativ-verstockte wie die römisch-katholische. Ihr droht das Abrutschen in die Bedeutungslosigkeit.

Die Springer-Presse hat natürlich wieder mal ganz spezielle Probleme mit dem Rücktritt Benedikts: "Wie deutsch bleibt der Vatikan nach Benedikt?" [1] Das ist natürlich das Wichtigste überhaupt.

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[1] Die Welt-Online vom 16.02.2013