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14. April 2013, von Michael Schöfer
Bundesjustizministerin mit Photoshop aufgehübscht?


Die digitale Welt verändert alles - sogar unser Verhältnis zur Wahrheit. Seit es etwa Photoshop gibt, weiß man nicht mehr, was überhaupt noch wahr ist. Die haarsträubenden Photoshop-Pannen sind ja inzwischen sattsam bekannt. Da wird schon mal bei einem unzulänglichen Dekolleté ein bisschen nachgeholfen, zum Ausgleich fehlen dann irrtümlich Arme oder Beine. Andere dagegen dürfen sich über eine dritte Hand freuen, was sich, falls sie tatsächlich echt wäre, vor allem bei der lästigen Hausarbeit als äußerst nützlich erweisen würde. Länder wie der Iran oder Nordkorea stehen unter dem Verdacht, ihre Streitkräfte durch Copy & Paste bedrohlicher erscheinen zu lassen, als sie es tatsächlich sind. Am allerschlimmsten sind natürlich die Manipulationen, die wir gar nicht bemerken.

Nun will die EU-Kommission zumindest mit der irreführenden Werbung von Kosmetikfirmen Schluss machen. [1] Eine ewig junge und makellose Julia Roberts soll es künftig nicht mehr geben dürfen. Aber wahrscheinlich wird mit der neuen Verordnung nicht nur die Werbewirtschaft, die bereits von Zensur spricht, Probleme haben, sondern auch die Bundesregierung. So sind beispielsweise manche Fotos unserer Bundesjustizministerin offenbar ebenfalls mithilfe von Bildbearbeitungsprogrammen à la Photoshop aufgehübscht worden. Auf der Website von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger werden nämlich Pressebilder angeboten, die - siehe unten - unverkennbar den von der EU-Kommission beklagten Julia Roberts-Effekt aufweisen. Ohne der Frau Ministerin zu nahe treten zu wollen, aber so glatt und faltenlos war sie vielleicht zuletzt vor 15 Jahren. Ihr Gesicht wirkt dadurch unnatürlich. Mit anderen Worten: Da hat es der Fotograf übertrieben und der Leiter des Pressebüros kläglich versagt.



[Quelle: Website von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger]

Zum Vergleich: Ein Bild der 62-Jährigen, das mangels beschönigender Bildbearbeitung viel realistischer ausgefallen ist. Ungeachtet der politischen Differenzen: Ich finde, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hätte Photoshop eigentlich gar nicht nötig gehabt.


[Quelle: Wikimedia Commons, CC BY 3.0-Lizenz, Urheber: Siebbi]

Authentizität bedeutet, selbstbewusst zu seinen unvermeidlichen Altersmerkmalen zu stehen. Das gilt beileibe nicht bloß für Frauen, sondern ebenso für alle Toupetträger.

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[1] Süddeutsche vom 13.04.2013