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11. Juli 2013, von Michael Schöfer
Back to the roots


Wie die staatliche Nachrichtenagentur Ria Novosti berichtet, will der Schutzdienst Federalnaja Sluschba Ochrany (FSO), das russische Pendant zum amerikanischen Secret Service, "Geheimakten wieder mit Schreibmaschinen verfassen". Es wurden zu diesem Zweck bereits 20 Schreibmaschinen vom Typ "Triumph-Adler Twen 180" bestellt. Kostenpunkt: 11.500 Euro. Man habe "nach den Enthüllungen des ehemaligen CIA-Mitarbeiters Edward Snowden und dem Abhörskandal beim G20-Gipfel in London" Angst vor Datenklau. "Papier sei sicherer als elektronische Datenverarbeitungstechnik", heißt es in Moskau. [1]

Da der 1. April selbst im rückständigen Russland längst vorbei ist, gibt es keinen Zweifel an der Echtheit der Meldung. Dafür spricht auch der horrende Preis für die Beschaffung. In Deutschland kostet die elektrische Schreibmaschine zwischen 125 und 178 Euro, für 20 Stück müsste man daher maximal 3.560 Euro bezahlen. Typisch Russland: Da wirtschaftet im Kreml offenbar mal wieder einer kräftig in die eigene Tasche, für 11.500 Euro würde man nämlich hierzulande mindestens 64 Schreibmaschinen bekommen. Putin könnte also fürs gleiche Geld zusätzlich noch den halben KGB damit ausrüsten. Wieso Russland allerdings auf ein deutsches Modell setzt, ist mir ehrlich gesagt vollkommen schleierhaft. Russische Schreibmaschinen hätten wenigstens kyrillische Buchstaben. Aber wahrscheinlich hat Wladimir Wladimirowitschs Liebe zu Deutschland den Ausschlag gegeben, denn in seiner Zeit in der DDR hat er bestimmt auf dem gleichen Modell seine Spionageberichte verfasst. Ob die Schreibmaschinen vom BND, sozusagen ab Werk, verwanzt werden? Ich wäre da anstelle des FSO äußerst vorsichtig.

Zweifellos käme der Schritt "back to the roots", allgemein praktiziert, einem schweren Schlag ins Gesicht von NSA und GCHQ gleich, denn dann müssten die Schlapphüte unsere Briefe wieder mühsam nach alter Stasi-Manier mit Hilfe von Dampf öffnen. Angeblich werden weltweit pro Tag 144 Milliarden E-Mails verschickt. Würden wir die alle in Briefkuverts stecken, wäre die Kommunikation naturgemäß nahezu unkontrollierbar. Nebenbei gäbe es bei Briefträgern endlich wieder Vollbeschäftigung. Über Viren müssten wir uns ebenfalls keine Sorgen mehr machen (höchstens über Erreger, die mit dem Speichel beim Zukleben des Briefkuverts weitergereicht werden). Schwierigkeiten könnte es jedoch geben, die Briefflut in der Cloud zu speichern. Ob die Rechenzentren für das enorme Gewicht vorbereitet sind (144 Mrd. x 20 g Standardbrief = pro Tag ein Gewicht von 2,88 Mio. t), wage ich zu bezweifeln.

Vom FSO lernen heißt siegen lernen, ein Schritt zurück wäre nämlich auch in anderen Lebensbereichen mit großen Vorteilen verbunden. Zum Beispiel beim Urlaub: Probleme mit bösen Terroristen in weit entfernten Erholungsgebieten? Fahren Sie einfach, wie in den 50er Jahren, mit der Vespa über den Brenner nach Italien. Sie werden in Rimini ganz gewiss mit einem seligen Lächeln vom Sattel steigen - froh, es überhaupt geschafft zu haben. Und wenn die schönsten Wochen mit einem Lächeln beginnen, kann vor der dreitägigen Rückreise wirklich kaum noch etwas schief gehen. Höchstens, der Brenner wäre durch einen überraschenden Kälteeinbruch stellenweise vereist.

Ärger mit Abmahnkanzleien? Nehmen Sie Musik wie in den guten alten Zeiten mit dem Kassettenrecorder auf. Schäden durch Skimming? Zahlen Sie mit Eurocheque. Euros, denen man früher, im Gegensatz zu heute, grenzenlos vertrauen konnte. Nervendes Gequatsche während der Tagesschau? Das Wählscheibentelefon vom Typ "Fe TAp 615" gab es zum Leidwesen aller pubertierenden Töchter in einer abschließbaren Ausführung (bedauerlicherweise nicht in orange). Anschiss von der Stewardess, weil Sie im Flugzeug mit dem Handy keine Schnappschüsse machen dürfen? Mit der "Kodak Instamatic 33" dürfen sie während des Fluges nach Herzenslust knipsen. Reiseschreibmaschinen muss man, anders als ein Tablet, nie an die Steckdose hängen. Die einzige bekannte Einschränkung ist der Geduldsfaden der übrigen Hotelgäste - insbesondere, wenn Sie nachts um drei Uhr noch schnell eine Analog-Mail abschicken wollen. Und mit dem Goggomobil hätten Sie in Flensburg keinen einzigen Punkt wegen Geschwindigkeitsüberschreitung stehen. Wie Sie sehen, ein Schritt zurück ist manchmal tatsächlich ein Schritt nach vorne.

"Back to the roots" ist demzufolge die Lösung. Nachteil: Pornos gäbe es nicht mehr via DSL frei Haus, sondern bloß noch unter der Ladentheke. Vorausgesetzt, Sie sind volljährig und können sich trotz knallroter Birne und mehreren vergeblichen Anläufen endlich zum Kauf entschließen. Wie bitte? Was sagen Sie? Sie können meine Forderung voll und ganz unterstützen, denn früher hatten Schreiberlinge wenigstens noch Niveau? Unverschämtheit!

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[1] Ria Novosti vom 11.07.2013