Home | Archiv | Leserbriefe | Impressum



13. Juni 2014, von Michael Schöfer
Lohnt die Rente mit 63 überhaupt?


Kürzlich habe ich gelesen, dass man bei der "Rente mit 63" früher zu arbeiten aufhört und deshalb weniger Rentenbeiträge zahlt, wodurch sich wiederum die monatliche Rentenhöhe reduziert. Es wurde der Eindruck erweckt, die "Rente mit 63" lohne sich nicht. Klingt zunächst irgendwie logisch, doch man sollte es genau nachrechnen, denn dadurch kommt man zu einem überraschenden Ergebnis.

Annahme: Arbeitnehmer, Jahrgang 1951, mit einem Monatsgehalt von 3.603 Euro (brutto). Der Unterschied zwischen der "Rente mit 63" und der Regelaltersrente ist marginal. Geht der Arbeitnehmer mit 63 abschlagsfrei in Rente, bekommt er eine Nettorente in Höhe von 1.381 Euro, würde er bis zur Regelaltersrente (65 Jahre, 5 Monate) weiterarbeiten, also knapp zweieinhalb Jahre, bekäme er anschließend jeden Monat immerhin 1.437 Euro ausgezahlt (Daten laut FAZ vom 26.05.2014). Das sind aber lediglich 56 Euro mehr.

In der Gegenüberstellung sieht das so aus: Nehmen wir an, unser Beispielarbeitnehmer wird 90 Jahre alt, dann bekommt er, falls er die Rente mit 63 wählt, bis zu seinem Tod bei gleichbleibender Rentenhöhe von der Rentenversicherung 447.444 Euro ausgezahlt (1.381 € x 12 Monate x 27 Jahre).

Geht er erst mit 65 Jahren und 5 Monaten, sind es trotz einer um 56 Euro höheren Monatsrente bloß 423.915 Euro (1.437 € x 12 Monate x 24 Jahre u. 7 Monate). Zu seinem Leidwesen hat er bei der zweiten Alternative auch noch mehr eingezahlt.

Der Arbeitnehmer, der länger arbeitet, überholt den Arbeitnehmer, der bereits mit 63 in Rente geht, erst im biblischen Alter von 126 Jahren:
  • Rente mit 63 Jahren: 1.044.036 Euro (1.381 € x 12 Monate x 63 Jahre)
  • Rente mit 65 Jahren u. 5 Monaten: 1.044.699 Euro (1.437 € x 12 Monate x 60 Jahre u. 7 Monate)
Üblicherweise stirbt man jedoch früher.



Wer hätte das gedacht. Man sollte folglich nicht bloß die Höhe der einzelnen Monatsrente sehen, sondern das Ganze bis zum Lebensende durchrechnen. Und da ist, was die ausgezahlte Gesamtsumme angeht, ein früher Rentenbeginn per Saldo wesentlich besser. Es sei denn, Sie hätten Grund zu der Annahme, mindestens 126 Jahre alt zu werden.

Mit anderen Worten: Der späte Renteneintritt ist, wenn man das Verhältnis von Ein- und Auszahlungen zugrunde legt, zweifellos ein Minusgeschäft. Und je früher der Tod zuschlägt, desto ungünstiger fällt der Vergleich für den Arbeitnehmer aus, der bis zur Regelaltersrente durchhält. Höhere monatliche Rente hin oder her.

Diese Berechnung sollte man stets auch bei Rentenabschlägen vornehmen, unter Umständen fährt man nämlich selbst damit besser. Alles bloß ein reines Rechenexempel.

Doch das sind Dinge, die man erst bei näherem Hinsehen bemerkt. Pauschal zu behaupten, dass man durch die vorgezogene Rente weniger Geld bekommt, ist jedenfalls nicht richtig. Zugegeben, man muss es sich auch leisten können. Für manche Rentner sind 56 Euro viel Geld. Und wenn die Rente zu klein ist, nützt einem auch die schönste Restlaufzeitberechnung herzlich wenig. Da man aber bei der Rente mit 63 mindestens 45 Versicherungsjahre haben muss, dürfte das für diese Arbeitnehmergruppe kaum zutreffen.

Und jetzt noch ein letztes Argument: Geld ist nicht alles, Zeit ist oft mehr wert. Frei sein, ohne Chef, ohne morgens aufstehen zu müssen...