Home | Archiv | Leserbriefe | Impressum



20. Juni 2015, von Michael Schöfer
Wir haben die Politiker, die wir verdienen


Der griechische Philosoph Platon (428/427 - 348/347 v. Chr.) wollte die Geschicke des Staates in die Hände von Philosophen legen. In seinem Werk "Der Staat" propagierte er die Regentschaft der Besten. Doch schon zu Lebzeiten Platons hatten die Menschen große Probleme mit seinem utopischen Staatsentwurf, er wurde deshalb auch nie verwirklicht. Und wenn ich mir ansehe, was heutige Philosophen so von sich geben, etwa Peter Sloterdijk, der "Zwangssteuern" (z.B. die progressive Einkommensteuer) abschaffen möchte und deren Umwandlung in freiwillige "Geschenke an die Allgemeinheit" fordert [1], muss ich den Skeptikern Platons sogar recht geben. Nebenbei bemerkt: Sloterdijk studierte in München und Hamburg an Universitäten, die natürlich durch "Zwangssteuern" finanziert wurden. Sein Professorengehalt dürfte ebenfalls kaum von den Geschenken vermögender Gönner herrühren.

Der eigentliche Knackpunkt von Platons Konzept war die Frage, wer überhaupt zu den Besten gehören soll. Der griechische Philosoph setzte auf Erziehung und Restriktionen, so durften die Herrscher seines Idealstaates beispielsweise kein Privateigentum besitzen. Platon war kein Anhänger der Demokratie. Demokratische Mehrheiten seien irrtumsanfällig, der ungebildeten Masse fehle der Durchblick, sie sei leicht verführbar und ihre Entscheidungen würden von irrationalen Motiven abhängen. Nun ja, ganz unrecht hatte der alte Grieche nicht. Dennoch gilt nach wie vor die Erkenntnis Winston Churchills: "Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind." Und wie wir oben gesehen haben, fehlt selbst Philosophieprofessoren oft der notwendige Durchblick.

Zwangsläufige Folge der Demokratie ist jedoch: Wir haben die Politiker, die wir verdienen, schließlich wurden sie von uns gewählt. Doch muss es wirklich so schlimm kommen? Horst Seehofer ist dafür geradezu ein Musterbeispiel. Angeblich unterstützt der bayerische Ministerpräsident die Energiewende, will aber erklärtermaßen keine Stromtrassen, die den Windstrom von Norddeutschland nach Bayern bringen. Jedenfalls nicht im eigenen Beritt. Da Strom in Bayern zur Mangelware werden könnte, sobald alle Atomkraftwerke abgeschaltet sind, will er die Stromtrassen durch Hessen und Baden-Württemberg legen lassen. Motto: Den Bayern den Windstrom, den anderen die Stromtrassen. Aber es kommt noch besser. In Bayern stehen bzw. standen viele Kernkraftwerksblöcke: Isar 1 und 2, Grafenrheinfeld, Gundremmingen A, B und C, Niederaichbach, Großwelzheim und Kahl. [2] Obgleich also in Bayern eine dementsprechend große Menge Atommüll produziert wurde, wollen sie davon nichts abhaben, den sollen gefälligst - analog zu den Stromtrassen - andere einlagern. Die Bayern drohen sogar mit dem Scheitern der Energiewende, was aber letztlich noch mehr Atommüll erzeugen würde. Logisch ist das nicht. Von einer gerechten Aufteilung ganz zu schweigen.

Ob Horst Seehofer unter Platon auserwählt worden wäre, zu den Philosophenherrschern aufzurücken, ist daher äußerst fraglich. Die bayerischen Wähler hatten diesbezüglich keine Bedenken. Wie bereits gesagt, wir haben die Politiker, die wir verdienen.

----------

[1] FAZ vom 13.06.2009
[2] Wikipedia, Liste der Kernreaktoren in Deutschland