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29. März 2016, von Michael Schöfer
Erlahmt Apples Innovationskraft?


Das, was viele nach dem Tod des legendären Apple-Gründers Steve Jobs befürchtet haben, scheint nun langsam einzutreten: Die Innovationskraft des Unternehmens droht zu erlahmen. In den Anfangsjahren gab sich Apple ein rebellisches Image, die Rolle des Bösewichts war für vermeintlich arrogante Computer-Giganten wie IBM oder aggressive Software-Schmieden wie Microsoft reserviert. Doch das Rebellentum war offenbar bloß die Fassade, dahinter ging es mindestens genauso um knallharte Geschäftsinteressen. Steve Jobs hatte zweifellos das Gespür für das, was sich verkaufen würde, aber die quasireligiöse Aura, die den Apple-Boss umgab, sollte wohl vor allem die - im Vergleich zur Konkurrenz - horrenden Produktpreise rechtfertigen. Das funktionierte tadellos, weil Jobs tatsächlich mit erstklassigen Innovationen (Macintosh, iPod, iPhone, iPad, iTunes Store) aufwarten konnte.

Apple ist inzwischen das wertvollste Unternehmen der Welt, doch es ist anscheinend träge geworden. Nach dem jüngsten Update des Mobil-Betriebssystems iOS spricht die Fachpresse bereits von einer Pannenserie. [1] Dabei hat der Konzern aus Cupertino/Kalifornien, anders als andere Software-Hersteller, lediglich eine begrenzte Hardware-Basis zu bedienen (ausschließlich die eigene). Dass es dennoch mächtig hakt, ist erstaunlich. Probleme mit Updates gibt es freilich bei allen Herstellern, aber mittlerweile beklagen sich selbst Entwickler über die aus ihrer Sicht unzureichende Apple-Hardware. Die Virtual-Reality-Brille Oculus Rift beispielsweise wird vorerst keine Macs unterstützen, weil die Grafikkarten in den Apple-Rechnern nicht leistungsfähig genug seien. "Wenn sie eines Tages einen guten Computer herausbringen, werden wir es machen", beteuert Oculus-Gründer Palmer Luckey. [2] Dabei gilt Virtual-Reality derzeit als der kommende Hype, den man möglichst nicht verpassen sollte.

Vor kurzem stellte Apple neue Produkte vor, allerdings fiel die Begeisterung darüber ziemlich verhalten aus. Das kleinere und vergleichsweise preiswerte iPhone SE hat ja durchaus Absatzchancen. Ob das auch für das iPad Pro mit 9,7-Zoll-Bildschirm gilt, ist indes fraglich. Das Display passt Farbe und Intensität automatisch an das Umgebungslicht an (True Tone). Und mit Nightshift, das bei iOS 9.3 zumindest auf jüngeren Geräten mit 64-Bit-Prozessor verfügbar ist, wird in den Abendstunden auf Wunsch der Blaulichtanteil reduziert, was beim späteren Einschlafen helfen soll (angeblich senkt blaues Licht den Spiegel des Schlafhormons Melatonin). In meinen Augen sind das jedoch Gimmicks, die den stolzen Preis von 839 Euro (mit Wifi und LTE, 32 GB Speicherkapazität) keinesfalls rechtfertigen. Zum Vergleich: Das Vorgängermodell iPad Air 2 ist neuerdings schon für 559 Euro zu haben (mit Wifi und LTE, 16 GB Speicherausstattung). [3] Warum sollten Kunden fürs iPad Pro fast 300 Euro mehr ausgeben? So wie angepriesen, als "ultimativer PC-Ersatz", taugt es meines Erachtens ohnehin nicht. Für die Apple Watch gibt es neue Armbänder und etwas günstigere Preise, Verkaufszahlen werden dagegen immer noch keine veröffentlicht, was natürlich zu Spekulationen einlädt (ist die Smartwatch etwa ein Flop?). Auf neue Notebooks und Desktop-Rechner wartete man jedenfalls vergeblich. Weit und breit war nichts vom "The Next Big Thing" zu sehen. Mit einem Wort: enttäuschend.

Momentan geht’s Apple bestens. Vorsichtshalber sollte man "noch" hinzufügen. Ob das auch so bleibt, steht in den Sternen. Falls die Innovationskraft des Unternehmens wirklich abnehmen sollte, sieht es düster aus. Das hohe Preisniveau lässt sich nämlich nur dann rechtfertigen, wenn man den Kunden einen echten Mehrwert bietet. Allerweltsprodukte zu Apothekenpreisen - das wird auf Dauer sicherlich nicht gutgehen.

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[1] Heise.de vom 29.03.2016
[2] Heise.de vom 04.03.2016
[3] Gravis.de, Smartphones & Tablets