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06. Mai 2017, von Michael Schöfer
Auf sündhaft teure Prestigeprojekte sollte man verzichten


Das Weiße Haus liebt Prestigeprojekte - besonders seit Donald Trump dort Hausherr ist. Deshalb hat er vor kurzem die NASA angewiesen, schon 2018 zwei Astronauten den Mond umrunden zu lassen. [1] Populisten sind ungeduldige Menschen. Unser Trabant hat freilich bereits vorher eine Renaissance erlebt - wenigstens was die Planungen angeht. Daran sind sogar Privatunternehmen beteiligt, die den Mond touristisch erschließen wollen (SpaceX will den Mond mit Touristen umrunden). Mittelfristig wird zudem eine Mondlandung ins Auge gefasst. Doch der Mond ist gar nicht das ersehnte Ziel, sondern lediglich eine Etappe auf dem Weg zum Mars. Gleichwohl muss die Frage erlaubt sein: Was bringt die bemannte Raumfahrt wissenschaftlich? Das ist mir ehrlich gesagt nicht ganz klar. Der Mond ist im Grunde uninteressant, andernfalls hätten die Mondlandungen nicht Anfang der siebziger Jahre aufgehört, sondern wären auch danach noch weitergegangen.

Der Aufwand, den Homo sapiens auf Weltraumreisen am Leben zu erhalten, ist immens: Menschen sind verletzliche Wesen, sie werden krank, brauchen ausreichend Luft, Wasser und Nahrung, die kosmische Strahlung setzt ihnen zu, die Schwerelosigkeit ruft Muskel- und Knochenschwund hervor etc. Außerdem dürfte beim Mars zunächst einmal Schluss sein, zu den Jupitermonden dauert die Reise nämlich viel zu lange. Die durchschnittliche Entfernung des Mars von der Sonne beträgt 228 Mio. km, die des Jupiter 778 Mio. km. Die Raumsonde "New Horizons", der wir phantastische Bilder vom Pluto zu verdanken haben, verließ die Erde mit der höchsten jemals erreichten Fluchtgeschwindigkeit und brauchte dennoch bis zum Jupiter fast 14 Monate. Zum Vergleich: Der Flug zum Mars soll knapp sieben Monate dauern. Einfach, versteht sich, nicht hin und zurück. Zur Zeit dürfte eine bemannte Reise zum Jupiter technisch kaum realisierbar sein. Von den horrenden Kosten ganz zu schweigen. Und die interstellare Raumfahrt bleibt für die Menschheit wohl dauerhaft außerhalb ihrer Reichweite. [2]

Um nicht missverstanden zu werden: Ich finde die Erforschung des Weltraums hochinteressant und wissenschaftlich durchaus aufschlussreich, aber dazu braucht man keine Menschen. Jedenfalls sind sie dort nicht unverzichtbar, Raumsonden tun es auch. Wenn die Künstliche Intelligenz weiterhin so große Fortschritte macht, wird man in naher Zukunft noch viel bessere Ergebnisse erzielen als bisher. Vorteil: Im Vergleich zur bemannten Raumfahrt ist die unbemannte viel billiger. Dann macht es auch nichts aus, wenn die Hinreise mal ein paar Jahre länger dauert. Und auf die zweifelhafte Ehre, eine Fahne auf dem Mars hissen zu dürfen, kann man getrost verzichten. Hinweis für Donald Trump: Der Flug zum Mars wird nicht vor 2030 stattfinden, dann regiert im Weißen Haus längst ein Nachfolger bzw. eine Nachfolgerin, die Lorbeeren erntet also ohnehin ein anderer.

Wissenschaftler sehen die bemannte Raumfahrt ebenfalls recht kritisch. Schon 1990 hat die Deutsche Physikalische Gesellschaft dazu eine Stellungnahme veröffentlicht. Der technologische "Spinoff" der Raumfahrt halte sich in Grenzen und sollte nicht überschätzt werden, schreiben die Autoren darin. Ein wissenschaftlicher oder ökonomischer Nutzen, der die hohen Kosten der bemannten Raumfahrt rechtfertigt, sei "bisher nicht auszumachen". Und es ließen sich, mit Ausnahme der Untersuchungen am Menschen selbst, "keine Beispiele finden, bei denen der Mensch nicht durch Roboter ersetzt werden könnte". Alle Experimente seien "ohne Einbuße an Präzision" auch unbemannt durchzuführen. [3] Weder die Wissenschaft noch die Wirtschaft habe die bemannte Raumfahrt gefordert. Ein weiteres Indiz: Wäre die bemannte Raumfahrt tatsächlich von so überragender Bedeutung, wie ihre Befürworter suggerieren, würde die NASA wohl kaum unter Geldmangel leiden.

Es erstaunt immer wieder, dass trotzdem so viele Ressourcen in Prestigeprojekte wie die Marslandung fließen. Ressourcen, die anders eingesetzt wesentlich bessere Ergebnisse zeigen würden. Laut Wikipedia hat die Raumsonde "New Horizons" bis 2016 Kosten von 700 Mio. US-Dollar verursacht. Die Schätzungen für die Kosten einer Marslandung gehen stark auseinander, alles in allem rechnet die NASA mit 500 Mrd. US-Dollar. [4] Die Marsmission mit dem autonomen Rover "Curiosity" kostete dagegen bloß 2,5 Mrd. US-Dollar, 200-mal weniger als die geplante bemannte Mission. Und seit 2012 sendet Curiosity beharrlich Bilder und Daten. Gewiss, der bemannte Flug zum Mars ist spektakulär, doch ist er wirklich notwendig? Raumsonden kosten nur einen Bruchteil davon, weil man auf die komplexen Lebenserhaltungssysteme für den äußerst empfindlichen Homo sapiens verzichten kann. Offenbar bringen Raumsonden mindestens genauso interessante Erkenntnisse. Wenn nicht sogar interessantere, weil man mit ihnen schon bald dahin fliegen kann, wo der Mensch auf absehbare Zeit gar nicht hinkommt. Zum Jupitermond Europa etwa, unter dessen Eishülle ein riesiger Ozean aus flüssigem Wasser vermutet wird, der vielleicht Leben enthalten könnte. Ich rate deshalb dazu, die Diskussion zu versachlichen und auf teure Prestigeprojekte zu verzichten.

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[1] heise.de vom 25.02.2017
[2] siehe Träume sind Schäume vom 18.07.2015
[3] Deutsche Physikalische Gesellschaft, Entschließung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft zur Bemannnten Raumfahrt vom 12.12.1990
[4] heise.de vom 05.04.2013