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21. August 2017, von Michael Schöfer
Geld fällt ja bekanntlich vom Himmel


Ist die AfD eine Partei der kleinen Leute? Die Vertretung der globalisierungsgeschädigten Wutbürger? Mitnichten! Ich will mich hier gar nicht über die abscheuliche Fremdenfeindlichkeit der AfD auslassen, ebenso wenig über ihre irrationalen Zweifel am von Menschen verursachten Klimawandel. Ich konzentriere mich vielmehr voll und ganz auf das Kapitel "Steuern und Finanzen" des im April 2017 auf dem Bundesparteitag beschlossenen Bundestagswahlprogramms (Seite 50ff). [1]

"Die AfD ist für eine Abschaffung der Erbschaftsteuer als Substanzsteuer und gegen die Reaktivierung der Vermögensteuer." Sie will die Reichen also offenbar schonen. Nichtsdestotrotz wagt sie die Quadratur des Kreises, die AfD will eben möglichst vielen gefallen. Sie fordert eine Reduzierung der Steuer- und Abgabenquote. Die Mehrwertsteuer soll um satte 7 Prozentpunkte sinken, gleichzeitig dürfen Steuern, Beiträge und Gebühren nicht mehr steigen. Das würde für den Staat natürlich gewaltige Einnahmeverluste nach sich ziehen (die Mehrwertsteuer ist die ertragreichste Steuerart), dennoch bekennt sich die AfD zur im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse, weitere Staatsverschuldung kommt für sie nicht in Betracht. Zusätzlich zur Schuldenbremse soll aber auch noch eine allgemeine Abgabenbremse ins Grundgesetz aufgenommen werden. Die Abgabenquote darf, wenn es nach dem Willen der AfD ginge, mittelfristig 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht übersteigen. Mit anderen Worten: Sie verhindert generell die Erhöhung der Staatseinnahmen.

Das Steuersystem soll einfach, transparent und gerecht sein. Erklärtes Ziel ist, Gering- und Durchschnittsverdiener zu entlasten. Abermals Mindereinnahmen für den Staat. Die AfD will das Ehegattensplitting durch ein sozial gerechtes Familiensplitting ergänzen und eine faire Unternehmensbesteuerung schaffen. Ziemlich wolkig, denn was ist "gerecht" und "fair" konkret? Das wird von der AfD nicht näher erläutert, die Wählerinnen und Wähler müssen sich überraschen lassen. Ein Beispiel: Gerhard Schröder (SPD) hat einst die Einführung von Hartz IV als gerecht bezeichnet. Das war bei einem sozialdemokratischen Kanzler eine echte Überraschung - leider keine gute. Merke: Nicht immer ist Gerechtigkeit drin, wo Gerechtigkeit draufsteht. Etwas genauer wüssten wir schon gerne, wohin die Reise mit der AfD gehen soll. Schlau wird man aus ihrem Programm jedenfalls nicht.

Die AfD fordert ausgeglichene Staatshaushalte. "Die Staatsausgaben sind durch Einnahmen zu decken", heißt es im Wahlprogramm. Die Bürger hätten ein Recht auf verlässliche staatliche Rahmenbedingungen. Bestehende Schulden sollen getilgt und gesamtgesellschaftliche Aufgaben über den Bundeshaushalt finanziert werden. Das ist isoliert betrachtet sogar löblich, aber damit ist die Quadratur des Kreises komplett: Die Einnahmen sollen nämlich sinken und zugleich die Ausgaben steigen. Wie unter diesen Voraussetzungen die Schuldenbremse eingehalten werden kann, bleibt das wohlgehütete Geheimnis der AfD. Höhere Schulden lehnt sie ab, und über mögliche Einnahmequellen schweigt sie sich vornehm aus. Wer letztlich die Zeche zahlt, schließlich kann die AfD die Gesetze der Mathematik nicht einfach per Parteitagsbeschluss außer Kraft setzen, liegt völlig im Dunkeln. Gewiss, sie propagiert den Abbau von Subventionen (welche, verrät sie allerdings nicht) und die Kürzung von "überflüssigen" Staatsausgaben (welche das sind, bleibt ebenfalls offen). Doch ob das ausreicht, die Einnahmeausfälle zu kompensieren? Durchgerechnet hat sie das anscheinend nicht.

Das Programm der AfD im Bereich "Steuern und Finanzen" ist dünn. Sehr dünn. Und inkonsistent. Für eine Partei, die bereits vier Jahre existiert (sie wurde am 6. Februar 2013 gegründet), ist das beschämend. Offenbar verhindern persönliche Animositäten und Richtungskämpfe die dringend notwendige Klärung sich widersprechender Aussagen. Aber vielleicht ist das auch gar nicht das Ziel der Partei, denn solange die Widersprüche ungeklärt bleiben, können viele das aus dem Programm herauslesen, was ihnen gerade in den Kram passt. Reiche Erben sind dann genauso zufrieden wie Geringverdiener. Das Geld für Wohltaten fällt ja bekanntlich vom Himmel. Und der ist blau. AfD-blau. Aha, dann kann ja eigentlich gar nichts schiefgehen… Oder doch?

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[1] AfD, Programm Bundestagswahl 2017, PDF-Datei mit 2,8 MB