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11. September 2017, von Michael Schöfer
Fehlende Alternativen zu Merkel


Die Parteien beleidigen den Intellekt der Wählerinnen und Wähler. Martin Schulz (SPD) phantasiert: "Wenn Frau Merkel in mein Kabinett eintreten will, kann sie das gerne tun." [1] Das ist für eine Partei, die gut zwei Wochen vor der Wahl in Umfragen zwischen 21 und 24 Prozent herumkrebst, außerordentlich mutig. Oder einfach nur dumm. Sind die Wähler in den Augen von Schulz blöd? Auch sein Satz, "wer Merkel ablösen will, der muss Schulz wählen, der muss die SPD wählen", bewegt sich auf dem gleichen dürftigen Niveau. Da müsste sich bis zum Wahltag schon ein politisches Erdbeben ereignen, das die CDU 10 Prozentpunkte verlieren und die SPD 10 Prozentpunkte gewinnen lässt. Mir fehlt die Phantasie, was das sein könnte. Martin Schulz wird heilfroh sein, wenn er seiner Partei in einer erneuten großen Koalition wenigstens die Ministersessel rettet.

Die anderen Parteien sind allerdings auch nicht besser. Wer Merkel ablösen will, muss die Grünen wählen? Pah, die Grünen würden sich bestimmt auch mit der Union ins Bett legen. Notfalls sogar gemeinsam mit der FDP. Schwarz-Grün oder Jamaika - die Grünen sind zu jeder Schandtat bereit. "Grüne gehen in keine Koalition, die nicht das Ende der Ära des fossilen Verbrennungsmotors einleitet und den Einstieg in den abgasfreien Verkehr schafft", tönt Cem Özdemir großspurig. [2] Horst Seehofer dagegen macht das Festhalten am Verbrennungsmotor zur Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung der CSU. [3] Mal gespannt, wer wortbrüchig wird. Seehofer hat ja auch angekündigt, keinen Koalitionsvertrag zu unterschreiben, in dem nicht eine Obergrenze für Flüchtlinge festgeschrieben ist. [4] Das hat er den Wählerinnen und Wählern garantiert. Angela Merkel indes bekräftigt: "Zur Obergrenze ist meine Haltung klar: Das heißt, ich werde sie nicht akzeptieren." [5] Auch da wird wohl jemand wortbrüchig. FDP-Chef Christian Lindner macht Steuerentlastungen und Änderungen bei der Energiepolitik zu Koalitionsbedingungen. [6] Gleichwohl gilt: Wer FDP wählt, wählt natürlich auch Merkel, denn Schwarz-Gelb zählt für die Union und die Liberalen nach wie vor zur Wunschkoalition. Wenn es dazu nicht reicht, wird Lindner mehr oder minder elegant zu Jamaika umschwenken. Wetten, dass...?

Letztlich kann man nur eines ganz sicher sagen: Wer Merkel partout nicht will, der muss entweder Die Linke oder AfD wählen, also die beiden Parteien an den entgegengesetzten Rändern des politischen Spektrums. Politisch ist nämlich eine schwarz-dunkelrote Koalition genauso unwahrscheinlich wie eine schwarz-hellblaue. Oder anders ausgedrückt: So wahrscheinlich wie ein Jackpot im Lotto. Man stelle sich vor: Sahra Wagenknecht als Ministerin im Kabinett Merkel IV. Oder Alexander Gauland als Minister unter Angela Merkel.

Ob die fehlenden Alternativen zu Merkel unserem Gemeinwesen gut tun, wage ich zu bezweifeln. Die bereits absehbaren Wortbrüche definitiv nicht. Besser wäre vielleicht, bei dem zu erwartenden Wahlausgang die CDU-Vorsitzende zwar zur Bundeskanzlerin zu wählen, aber im Bundestag auf wechselnde Mehrheiten zu setzen. Wir haben ja bei der "Ehe für alle" gesehen, dass dem durchaus positive Aspekte abzugewinnen sind. Wie oft die Kanzlerin die Vertrauensfrage stellt und damit Neuwahlen androht, bleibt abzuwarten. Der Bundespräsident kann den Bundestag auflösen, muss aber nicht. (Artikel 68 Abs. 1 Grundgesetz) Jedenfalls könnte eine nochmalige schwarz-rote Koalition die SPD in vier Jahren unter 20 Prozent drücken. Das würde ich mir anstelle von Martin Schulz gründlich überlegen.

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[1] Merkur.de vom 1.09.2017
[2] Zeit-Online vom 27.08.2017
[3] Zeit-Online vom 6.08.2017
[4] CSU vom 15.12.2016
[5] Die Welt-Online vom 16.07.2017
[6] FAZ.Net vom 08.09.2017