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22. Dezember 2017, von Michael Schöfer
Retten Sie Ihr Geld!


Seit Jahren verfolgen sie uns und verbreiten Angst: Anzeigen, die den baldigen Crash voraussagen. Wer kennt sie nicht? Hierzulande besonders beliebt: der Crash des Euro. Ein seriös gekleideter Mann warnt: "Retten Sie Ihr Geld - Euro Crash 2012." Der kam 2012 bekanntlich nicht, dennoch wurde unverdrossen weiter geworben: "Retten Sie Ihr Geld - Euro Crash 2013." 2013 natürlich das Gleiche, kein Crash der Gemeinschaftswährung. Gleichwohl: "Retten Sie Ihr Geld - Euro Crash 2014." Äußerst effektiv, ausgetauscht wurden lediglich die Jahreszahlen. Zur Abwechslung kommt mal die Inflation, ein andermal die Deflation. Irgendwas kommt ja immer. Notfalls die Kernschmelze des gesamten Finanzsystems. Oder ganz schlimm: Der Staatsbankrott. Auweh… Und stets heißt es: "Retten Sie Ihr Geld - jetzt." Nein, nicht morgen, nicht übermorgen, sondern am besten sofort, denn die Katastrophe steht gewissermaßen schon vor der Tür. Alles, Deutschland, Europa, die Weltwirtschaft, ist irgendwie kurz vor dem Kollaps. "Sichern Sie Ihr Vermögen!" Auch toll, handeln Sie antizyklisch: "Gewinnen Sie in der Krise!"

Wirklich fies: Die EZB arbeitet systematisch an unserem Untergang: "Geplanter Euro Crash 2017! Die Medien schweigen." Wie schön, Mario Draghi hat immerhin noch neun Tage Zeit. Doch seien Sie unbesorgt, die Version "Geplanter Euro Crash 2018! Die Medien schweigen" ist bereits auf dem Markt. Rein prophylaktisch, falls es mit 2017 nichts wird. Ich wette, die Version für 2019 ist ebenfalls schon in Vorbereitung. Auch auf dem Büchermarkt kann man mit Hiobsbotschaften offenbar Geld verdienen: "Die kommende Euro-Katastrophe." Erscheinungsdatum: 1. August 2009. Oder: "Der Währungscrash kommt!" Erscheinungsdatum: 10. März 2011. Noch besser, weil viel präziser: "1000 Tage bis zum Euro-Crash!" Erscheinungsdatum: 15. Juli 2015. Mal kurz nachrechnen: Das Jahr hat 365 Tage, 1000 Tage geteilt durch 365... Die Frist läuft exakt am 10. April 2018 ab. Schau'n mer mal.

Dahinter stehen erwartungsgemäß (und vermutlich vollkommen uneigennützig) Tipps zur Geldanlage. Empfohlen wird, was die Branchenspatzen halt gerade so von den Dächern pfeifen: Aktien, Fonds, Gold, Silber, Rohstoffe, Ackerland, Wald etc. Funktioniert garantiert jedes Jahr, weil sich das geneigte Publikum nicht mehr daran erinnern kann, was die Bestseller-Autoren und vermeintlichen Finanzexperten in den vergangenen Jahren alles vorausgesagt und empfohlen haben. Das soll nicht heißen, dass es keine Crashs gibt. Wäre ja auch zu schön, um wahr zu sein. Aber zum Glück kommen sie nicht jedes Jahr. Und wenn, dann meist anders als gedacht.