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12. November 2017, von Michael Schöfer
Das muss die AfD noch lernen


Vor kurzem gab es in Berlin ein bizarres Schauspiel: Am 100. Jahrestag der russischen Revolution demonstrierte dort eine Gruppe von Kommunisten, zog in sowjetischen Uniformen und mit einem historischen russischen Panzer durch die Straßen, aus Lautsprechern wurde die Internationale gespielt. Das fand der Berliner Landesvorsitzende der AfD, Georg Pazderski, überhaupt nicht lustig. Die Demonstration sei "eine Beleidigung an all jene, die unter den kommunistischen Diktaturen gelitten haben und zum Teil bis heute leiden", schreibt er dazu auf der Website seiner Partei. Da hat er nicht ganz unrecht, die russische Revolution hat in der Tat für Millionen Menschen schweres Leid gebracht. (Das Zarenregime übrigens ebenfalls.) Pazderski meint deshalb: "Diese krude Veranstaltung hätte von vorherein untersagt werden müssen." Und zu einem anderen Thema schreibt er: "Rechtsstaatlichkeit ist die wichtigste Voraussetzung für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung."

Nun fragt man sich, was Pazderski unter Rechtsstaatlichkeit und freiheitlich-demokratischer Grundordnung versteht, denn das Demonstrationsrecht ist ein fundamentaler Bestandteil der Demokratie. Sich friedlich zu versammeln ist ein Prozess der öffentlichen Meinungsbildung, der unter den Grundrechtsschutz der Verfassung fällt. Ob man für genehme oder strittige Ansichten demonstriert, ist dabei vollkommen irrelevant. Das Bundesverfassungsgericht legt die Meinungsfreiheit bewusst weit aus: Es kommt nicht darauf an, ob die Meinungsäußerung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, emotional oder rational ist. (Urteil vom 25.08.1994, 1 BvR 1423/92) Wäre es anders, könnte man jede missliebige Demonstration verbieten.

Es ist also völlig unerheblich, ob das Feiern der Oktoberrevolution dem AfD-Politiker gefällt oder nicht, ob er den Aussagen der Demonstranten zustimmt oder sie ablehnt, es geht vielmehr einzig und allein um das Grundrecht, demonstrieren zu dürfen. Und zwar ohne Pazderski oder sonst wen um Erlaubnis fragen zu müssen. "Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln." (Artikel 18 Abs. 1 GG) Versammlungen unter freiem Himmel müssen allerdings angemeldet werden, eine Erlaubnis ist dennoch nicht notwendig. Offenbar hat Pazderski das Wesen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verkannt. Dieses Beispiel zeigt abermals, was von der AfD zu halten ist.