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19. September 2017, von Michael Schöfer
Das Schicksal von Minderheiten


Momentan wird uns wieder das Schicksal von Minderheiten ins Gedächtnis gerufen: In Myanmar geht das Militär brutal gegen die muslimische Minderheit der Rohingya vor und vertreibt sie ins Nachbarland Bangladesch, wo die Rohingya allerdings nur geduldet, aber keineswegs willkommen sind. Die Kurden im Nordirak wollen demnächst über ihre Unabhängigkeit abstimmen, werden aber von vielen Ländern vor diesem Schritt gewarnt. Auch die Palästinenser leiden seit Jahrzehnten unter der israelischen Besatzungsmacht. In Spanien zeigt die Zentralregierung in Madrid wenig Verständnis für die Unabhängigkeitsbestrebungen der Katalanen und setzt bloß auf Repression. Fast überall gibt es bedrängte Minderheiten - ob nun aus ethnischen, religiösen oder kulturellen Gründen. Minderheiten sind die logische Folge der Idee des Nationalstaats, denn homogene Gesellschaften sind fast überall die Ausnahme.

Es ist weder wünschenswert noch machbar, jeder Minderheit Eigenstaatlichkeit zuzubilligen, aber dazu gehört zwangsläufig, ihre Rechte zu achten. Separatistische Bestrebungen wachsen meist nur dort, wo die Mehrheit eine Minderheit unterdrückt und ihr die Gleichberechtigung vorenthält. Resultat sind die gewaltsamen Auseinandersetzungen, unter denen die Menschen so leiden. Der Nationalismus und die Mythen, auf denen er beruht, sind zwar nicht das einzige Übel dieser Welt, aber - neben der Religion - eines der schlimmsten.

Wer Minderheiten wirklich helfen will, muss daher den übersteigerten Nationalismus bekämpfen. Auch hierzulande kommen die, die stolz darauf sind, ein Deutscher zu sein, ins Stottern, wenn sie erläutern sollen, was ihrer Meinung nach typisch deutsch ist. Pünktlich, diszipliniert, ordentlich und gewissenhaft - ist das wirklich typisch deutsch? Sind alle anderen Völker also per se unpünktlich, undiszipliniert, schludrig und unzuverlässig? In Wahrheit gibt es keinen Grund, sich anderen überlegen zu fühlen. Letztlich muss man sich wieder auf die Einhaltung der Menschenrechte besinnen, dann lösen sich viele Probleme von alleine.