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20. Juli 2017, von Michael Schöfer
Erdogan wird wohl nur schmunzeln


Im Verhältnis zur Türkei bläst Bundesaußenminister Sigmar Gabriel gehörig die Backen auf. Er will signalisieren, jetzt sei das Ende der Geduld erreicht. Doch genau besehen zeigt die Bundesregierung dem türkischen Präsidenten Erdogan abermals nur die gelbe Karte (die wievielte eigentlich?), die rote liegt noch immer ungezückt in der Hosentasche. Dass das Auswärtige Amt Reisende nun zu "erhöhter Vorsicht" rät, dürfte den ohnehin abnehmenden Trend, in der Türkei Urlaub zu machen, vielleicht ein bisschen verstärken, doch die Reisewarnung dürfte kaum ausreichen, um bereits geplante Urlaubsreisen kostenfrei stornieren zu dürfen, denn das ist in der Regel erst bei einer konkreten Gefahr für Leib und Leben der Fall. Ein stumpfes Schwert sind vorerst auch die Hermes-Bürgschaften, denn die werden bloß auf den Prüfstand gestellt. Prüfen heißt noch nicht streichen. Auch die Investitionskredite, die Wirtschaftshilfen sowie die Vorbeitrittshilfen der Europäischen Union sollen lediglich "überdacht" werden. Erfahrungsgemäß dauert es ziemlich lange, bis die zögerliche EU - wenn überhaupt - zu einer Entscheidung kommt. Anders ausgedrückt: Beim Fußball wäre Erdogan längst vom Platz geflogen, auf dem Feld der Politik darf er zunächst weiter provozieren. Die Bundesbürger kaufen dem Bundesaußenminister womöglich dessen Drohkulisse ab, aber im Präsidentschaftspalast in Ankara wird der Hausherr ein leichtes Schmunzeln wohl kaum unterdrücken können. Wirkungstreffer sehen jedenfalls anders aus. Was der Türkei wirklich schaden würde, wären Taten, beispielsweise der Ausschluss aus der Zollunion mit der EU. Das, was uns Sigmar Gabriel präsentierte, waren wieder einmal bloß Ankündigungen.