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22. Dezember 2016, von Michael Schöfer
Das antiquierte Weltbild von Boris Becker


Seitensprünge kommen für Tennis-Legende Boris Becker keinesfalls infrage: "Klar geht das nicht. Wenn ich's herausfinden würde, würde ich erst mal dem Mann eine Vor- und eine Rückhand und einen Schmetterball verpassen…", hat er der Bunten gesagt. Wir dürfen davon ausgehen, dass er dabei nicht an ein Tennismatch dachte. Was da so hochmoralisch daherkommt, offenbart ein anachronistisches Rollenverständnis und ein archaisches Verhältnis zur Gewalt.

Erstens handelt es sich hier um einen Seitensprung, also um das freiwillige Fremdgehen der Partnerin. Gezwungen wird sie dazu ja nicht, allenfalls verführt.

Zweitens ist eine Frau niemals das Eigentum des Mannes. Mit anderen Worten: Selbst eine verheiratete Frau kann tun und lassen, was sie will. Sie muss lediglich bereit sein, dafür die Konsequenzen zu tragen (Trennung, Scheidung etc.). Seitensprünge sind zum Glück nicht strafbar, höchstens nach Auffassung mancher Menschen unmoralisch. Aber über Moral lässt sich bekanntlich streiten.

Drittens droht Becker einem möglichen Nebenbuhler Gewalt an. Ganz so, als seien Körperverletzungen (§ 223 StGB, Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe) bei Seitensprüngen irgendwie erlaubt. Sind sie natürlich nicht. Wenn Frauen Männer mit einem derart antiquierten Weltbild "betrügen" oder verlassen, kann man das sogar sehr gut verstehen, denn welche gleichberechtigte und eigenständig denkende Frau möchte mit so einem Mann zusammenbleiben?

Viertens heuchelt Boris Becker, seine erste Ehe mit Barbara ging ja nach eigenem Eingeständnis gerade deshalb auseinander, weil er sie "betrogen" hat. Er zeugte in der Besenkammer eines Londoner Nobelrestaurants mit dem russischen Model Angela Ermakowa ein Kind, was uns als vermeintlicher "Samenraub" im Gedächtnis haften blieb. Ach, was haben wir darüber gelacht… Samenraub! Kann natürlich sein, dass Becker Seitensprünge des Mannes als lässliche Sünde bewertet, Seitensprünge der Frau hingegen aufs Schärfste verurteilt. Doch gilt nicht auch hier der Grundsatz "gleiches Recht für alle"?