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24. März 2018, von Michael Schöfer
Der Fluch des "Always-online"-Zeitalters


Kunden wollen gebauchpinselt werden. Und sie wollen eine Entschuldigung hören - selbst wenn es dafür objektiv betrachtet keinen Anlass gibt. Deshalb verwenden die Support- und Presseabteilungen der Unternehmen fast schon routinemäßig den entsprechende Textbaustein. "Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten", oder so ähnlich. Hauptsache, der Kunde fühlt sich mit seinem Anliegen ernst genommen und hat subjektiv den Eindruck, sich durchgesetzt zu haben. Ob's tatsächlich so ist, steht auf einem anderen Blatt.

Kommt ein Unternehmen in stürmisches Fahrwasser, sind Entschuldigungen unerlässlich. Gleichwohl sind sie häufig absolut unaufrichtig. "Wir werden schonungslos aufklären", heißt nichts anderes als: "Wir geben nur zu, was uns nachgewiesen wird, das Wesentliche werden wir jedoch so gut es geht verschleiern." Die wahren Motive, warum man etwas tut, werden durch Entschuldigungen meist ins glatte Gegenteil verkehrt. Nehmen wir beispielsweise Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Nach dem massiven Missbrauch von Nutzerdaten durch die Analysefirma Cambridge Analytica entschuldigte er sich mit folgenden Worten: "Wir tragen die Verantwortung für den Schutz Ihrer Daten und wenn wir das nicht können, verdienen wir es nicht, Ihnen zu dienen."

Das ist pure Heuchelei, denn Daten sind schließlich das Geschäftsmodell des sozialen Netzwerks. Und fast alle spielen durch den obligatorischen Facebook-Button mit. Auch die Online-Seiten der Presseverlage, die sich jetzt so vehement über Facebook echauffieren. Die Mitgliedschaft bei Facebook ist zwar kostenlos, aber man bezahlt, indem man vor dem Unternehmen gewissermaßen die Hosen herunterlässt. Wie sonst sollte Facebook die Kosten stemmen - fürs Personal, für die Server in den Rechenzentren und die Energie für deren Betrieb? Eigentlich müsste das jedem von vornherein klar sein. Jetzt so zu tun, als sei man total überrascht, ist lediglich Ausdruck der eigenen Dämlichkeit.

Facebook ist auch kein altruistischer Verein, es ist vielmehr eine profitorientierte Firma. Es ging Zuckerberg nie ums Dienen, sondern stets um irgendwelche Vorteile. Ursprünglich wurde Facebook als öffentliches Bewertungssystem für das Aussehen von Studentinnen an der Harvard University entwickelt. Zweck war vermutlich, an die attraktivsten Mädchen zu kommen. Und heute geht es um Geld. Sehr viel Geld, Zuckerberg ist inzwischen Multimilliardär. Die Entschuldigung dient nur dazu, sein Geschäftsmodell zu retten. Würden die meisten Facebook-Nutzer ihren Account löschen, wäre das soziale Netzwerk mit einem Schlag erledigt. Von daher wäre ich gegenüber dem Mea Culpa Zuckerbergs äußerst misstrauisch.

Daten sind die härteste Währung der Neuzeit. Und das nicht bloß für Facebook. Warum sollte etwa Microsoft sein Betriebssystem verschenken? Aus reiner Menschenfreundlichkeit? Ich bitte Sie… Es sei immer noch unklar, welche Daten unsere Computer an die Software-Schmiede übermitteln, warnten vor kurzem die Experten von heise.de. [1] Insofern gebe es nach wie vor Sicherheitsbedenken, gerade was die Softwareausstattung von Behörden angeht. Und die Monokultur [2] tut in Bezug auf die Anfälligkeit für Viren ihr Übriges.

Das ist der Fluch des "Always-online"-Zeitalters. Manches ließe sich nur vermeiden, wenn man komplett abschalten würde, nie wieder ins Internet ginge. Doch das ist natürlich illusorisch. Dafür bietet das Internet viel zu viel. Wir können allerdings durchaus entscheiden, wo und mit was wir uns dort einloggen. Ist Facebook wirklich notwendig? Gibt es brauchbare Alternativen zu Windows? Oder ist uns die Nacktheit vor den Konzernen völlig gleichgültig?

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[1] heise.de vom 16.02.2018
[2] StatCounter, Marktanteile auf dem Desktop weltweit: Windows 82,56 %, OS X 12,36 %, Linux 1,46 %, Chrome OS 1 % (Stand Februar 2018)