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03. April 2018, von Michael Schöfer
Leicht reizbare Rowdys


Eishockey ist ein Sport für harte Männer, das mag zwar in den Augen vieler bloß ein Klischee sein, wird aber durch die Spieler auf dem Eis immer wieder bestätigt. Eishockey kann begeistern, wie erst kürzlich die deutsche Nationalmannschaft bei der Olympiade in Südkorea bravourös unter Beweis gestellt hat. Der Sport hat freilich auch seine abstoßenden Momente. Brutale Fouls etwa, die das ohnehin körperbetonte Spiel weit über die Grenze des Erlaubten hinaustreiben.

Momentan steht Steven Pinizzotto vom amtierenden Meister Red Bull München am Pranger, weil er den Mannheimer Eishockey-Nationalspieler Matthias Plachta im ersten Spiel des Halbfinales der Play-Offs mit einem brutalen Ellenbogencheck niederstreckte. Plachta blieb minutenlang regungslos auf dem Eis liegen, was den Münchner zu allem Überfluss auch noch zu einer höhnischen Geste verleitete. Der als Raubein geltende Pinizzotto wurde deshalb vom Disziplinarausschuss der DEL für fünf Spiele gesperrt. Die Adler regten sich über das brutale Foul, das bei Plachta eine Gehirnerschütterung verursachte, zu Recht auf. All das gehört zweifellos zu den unschönen Seiten des Sports.

Allerdings ist die Aufregung der Mannheimer Adler zu einem gewissen Teil pharisäerhaft. Wir erinnern uns: Adler-Verteidiger Thomas Larkin hat Ende vergangenen Jahres im Spiel der Champions Hockey League gegen den schwedischen Vizemeister Brynäs IF ebenfalls ordentlich hingelangt. Larkin wurde nach einem überharten Bodycheck gegen Daniel Paille, der minutenlang auf dem Eis liegen blieb (eine frappierende Parallele zu Plachta), vom Sportausschuss der Champions Hockey League für vier Spiele gesperrt. Auch hier sprachen die Schlagzeilen der Presse von einem "Horror-Foul", Brynäs-Sportchef Stefan Bengtzen meinte sogar: "Das war wie ein Mordversuch." Dem damaligen Adler-Trainer Sean Simpson attestierten die Schweden obendrein "furchtbar schlechtes Benehmen".

Wie eingangs erwähnt, Eishockey ist ein Sport für harte Männer. Übertrieben harte, denn viele Spieler machen den Eindruck, mit einem extrem hohen Testosteronspiegel aufs Eis zu laufen. Nicht selten kommt es zwischen Mannschaften während des Spiels zu Schlägereien. Jeder Außenstehende fragt sich angewidert: Muss so viel Aggressivität wirklich sein? Ich will keinem Spieler zu nahe treten, aber angesichts dessen macht Eishockey eher den Eindruck, als jagten da ein paar hirnlose, leicht reizbare Rowdys auf Kufen dem Puck hinterher. Und gelegentlich räumen sie dabei gleich den Gegenspieler mit ab. Im normalen Leben bekämen sie dafür von einem Gericht bestimmt ein Anti-Gewalt-Training verordnet. Wenn man Wortpaare bildet, wird "harten Männern" oft "Gewalt" zugeordnet, "Hirn" dagegen kaum (allenfalls im Zusammenhang mit "das Hirn einschlagen"). Das hat durchaus seine Gründe.

Nachtrag (05.04.2018):
Als hätte es für meine These noch eines Belegs bedurft, hier auszugsweise der Bericht vom vierten Play-Off-Spiel der Adler Mannheim gegen den EHC Red Bull München:
"Zunächst erzielte Markus Lauridsen [München] den überraschenden Anschlusstreffer unter Mithilfe von Endras [Mannheim], der die Scheibe durchrutschen ließ. Plachta [Mannheim] aber leistete sich nicht nur einen Stockschlag nach dem Schuss auf Lauridsens Hand, sodass dieser mit einem wahrscheinlich gebrochenen Finger in die Kabine musste und für den somit wohl die Saison beendet ist, sondern verpasste dem jubelnden Vorlagengeber Maxi Kastner [München] zusätzlich noch einen Stockstich. Die logische und richtige Folge: Fünf Minuten plus Spieldauerdisziplinarstrafe für Plachta." [1] Ausgerechnet Plachta, das Opfer des ersten Spiels, zeigt sich genauso unbeherrscht wie Pinizzotto. Fazit: Die lernen nichts, die können offenbar nicht anders. Das muss man nicht mehr kommentieren, diese unglaubliche Aggressivität spricht für sich selbst.

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[1] Merkur.de vom 05.04.2018