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11. Februar 2019, von Michael Schöfer
China ist nicht über den Weg zu trauen


Die Bundesregierung will den chinesischen Telekommunikationsausrüster Huawei nicht generell vom Ausbau des 5G-Netzes ausschließen, doch sie will allen Anbietern stärkere Auflagen machen, beispielsweise die Offenlegung des Quellcodes, die Zertifizierung von Hard- und Software und den Abschluss eines No-Spy-Abkommens. So sollen Hintertüren und Fernabschaltfunktionen, die das Netz ausspionieren oder sabotieren könnten, verhindert werden. Doch das ist gerade mit Blick auf China unglaublich naiv.

Das chinesische Nachrichtendienstgesetz verpflichte Unternehmen, mit den Behörden zusammenzuarbeiten, entnehmen wir der Presse. Natürlich löst das die berechtigte Besorgnis aus, dass sich die chinesische Regierung im Bedarfsfall die Verfügungsgewalt über die Kommunikationsnetze des Westens verschaffen kann. Doch selbst wenn es keine entsprechende Klausel im Nachrichtendienstgesetz gäbe - kann man China überhaupt trauen? Ich fürchte, diese Frage muss man leider mit Nein beantworten. Die Regierung in Peking könnte nämlich auch ohne Nachrichtendienstgesetz Unternehmen zur Zusammenarbeit zwingen, denn die Volksrepublik ist kein Rechtsstaat, in dem man sich erfolgreich gegen Anordnungen staatlicher Stellen wehren kann. Die alleinherrschende Kommunistische Partei Chinas bestimmt dort immer noch uneingeschränkt, wo es langgeht. Im Reich der Mitte verschwinden gerne mal Milliardäre, berühmte Schauspielerinnen oder sogar Interpol-Chefs von der Bildfläche - nicht selten so lange, bis sie nach Monaten im Staatsfernsehen öffentlich ihre vermeintlichen "Verbrechen am chinesischen Volk" gestehen. Die Justiz spielt bereitwillig mit, denn Gewaltenteilung ist in China ein Fremdwort. Wer sie einfordert, wie der 2017 verstorbene Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo in der Charta 08, landet im Gefängnis.

Was chinesische Gesetze und internationale Verpflichtungen im Zweifelsfall wert sind, ist hinlänglich bekannt. Die Verfassung der Volksrepublik China legt in Artikel 33 fest: "Der Staat respektiert und beschützt die Menschenrechte." Artikel 35 sagt: "Die Bürger der Volksrepublik China genießen die Freiheit der Rede, der Publikation, der Versammlung, der Vereinigung, der Durchführung von Straßenumzügen und Demonstrationen." Das hört sich zwar gut an, aber wie wir alle wissen, stehen diese Rechte in China bloß auf dem Papier. In Wahrheit herrscht dort staatliche Willkür, wie etwa die massenhafte Einkerkerung der Uiguren (einer muslimischen Minderheit im Nordwesten Chinas) in Umerziehungslager belegt. Wohlgemerkt, ohne Anklage und Verurteilung. Folter soll dort an der Tagesordnung sein. "Die Bürger der Volksrepublik China genießen die Glaubensfreiheit" (Artikel 36) und "Die Freiheit der Person der Bürger der Volksrepublik China ist unverletzlich" (Artikel 37) steht in der Verfassung, geholfen hat das jedoch nicht.

China tritt auch außenpolitisch zunehmend aggressiver auf. Das Urteil des Ständigen Schiedsgerichtshofs in Den Haag über chinesische Gebietsansprüche auf das Südchinesische Meer wird von Peking kurzerhand ignoriert, stattdessen unterstreichen die Machthaber ihre völkerrechtswidrigen Ansprüche mit militärischen Drohungen. Das Land entwickelt sich mehr und mehr zum Leviathan, vor dem sich alle fürchten. Und die blinde Profitgier der westlichen Wirtschaft hat es auch noch stark gemacht. Mit so einem Land glaubt die Bundesregierung rechtssichere Abkommen schließen zu können, die selbst im Konfliktfall noch Bestand haben? Mit Verlaub, das ist dämlich und schon in weniger sensiblen Bereichen problematisch. Bei der Telekommunikation, die in sämtliche Bereiche unseres Lebens vordringt (Internet of Things), ist diese Naivität gefährlich. Wer garantiert uns denn, dass unser 5G-Netz nicht doch infiltriert werden kann? Niemand! China ist meiner Meinung nach trotz gegenteiliger Versprechen nicht über den Weg zu trauen.