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09. Juli 2020, von Michael Schöfer
Wie Zerberus am Eingang zur Hölle


Das KSK ist durch rechtsextreme Tendenzen in Verruf geraten, doch laut Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer betrifft das nicht bloß die Eliteeinheit, sondern die gesamte Bundeswehr. Die hessische Linken-Fraktionschefin Janine Wissler bekommt Drohmails, unterzeichnet mit "NSU 2.0" und mutmaßlich aus den Reihen der Polizei. Ebenso wie vorher die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz. Bittere Erkenntnis: Man hat viel zu lange weggeschaut, viel zu lange verharmlost. Wachen wir jetzt endlich auf?

Wer genau hinschauen will, wird nach wie vor mit dem unsäglichen Vorwurf "Generalverdacht" mundtot gemacht. Wie Zerberus den Eingang zur Hölle bewacht, wachen irregeleitete Interessenvertreter darüber, dass ja nichts nach außen dringt. Und vor allem kein frischer Wind hineinweht. Motto: Haben wir gar nicht nötig. Bundesinnenminister Horst Seehofer findet sogar eine wissenschaftliche Studie zu "Racial Profiling" überflüssig, denn "Racial Profiling" ist schließlich verboten. Und was verboten ist, macht natürlich auch keiner. Alle halten sich strikt an die Gesetze. Ausnahmslos. Wie naiv, wie furchtbar in ihren Konsequenzen, denn diese Sichtweise ermutigt ausgerechnet die Falschen. Nein, sie ermutigt sie nicht nur, sie deckt sie.

Die dreisten Versuche, die unabhängige Kontrolle der Sicherheitsbehörden als Diffamierung der dort Beschäftigten zu verunglimpfen, tragen an den jetzigen Zuständen ein gerüttelt Maß an Mitschuld. Ich meine damit diejenigen, die bei jedem Vorschlag sofort tödlich beleidigt sind, anstatt sich konstruktiv mit durchaus berechtigter Kritik auseinanderzusetzen. Faktisch will man mit absurden Vorwürfen und an den Haaren herbeigezogenen Argumenten jede Änderung der bestehenden Verhältnisse verhindern. Ganz so, als seien diese in Ordnung. Sind sie jedoch nicht, wie man leider feststellen muss. In einem Land, in dem Antidiskriminierungsgesetze von Staatsbediensteten als Bedrohung empfunden werden, ist etwas faul. Wohlgemerkt, das Manko liegt nicht auf Seiten der Befürworter von Antidiskriminierungsgesetzen.

Ist es Dummheit? Ist es Absicht? Verbirgt sich dahinter eine perfide Strategie? Und wenn ja, welche? Wie auch immer, jedenfalls scheint es unter dem Mantel des Schweigens, den manche gerne über alles ausbreiten würden, besorgniserregende Entwicklungen zu geben. Entwicklungen, die unsere Demokratie gefährden. Aber die Sicherheitsbehörden sind kein Staat im Staate, sie dienen vielmehr den Bürgerinnen und Bürgern. Man hat allerdings den Eindruck, dass dort zuweilen anders gedacht wird. Das kann sich keine Demokratie leisten, deshalb darf sie es auch nicht weiter hinnehmen. Und Politiker, die das nicht kapieren, muss man eben abwählen.