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13. September 2007, von Michael Schöfer
Konvertitenregister


Wolfgang Bosbach, Innenexperte der CDU-Bundestagsfraktion und deren stellvertretender Vorsitzender, hat angeblich die Einrichtung eines Konvertitenregisters gefordert, in dem man alle zum Islam Übergetretenen erfasst. Bekanntlich waren bei der vor kurzem aufgeflogenen Terrorzelle Konvertiten maßgeblich an der Vorbereitung von Bombenanschlägen beteiligt, was viele überrascht zur Kenntnis nahmen. Bosbach wurde aber, wie sich mittlerweile herausgestellt hat, falsch zitiert. "Das Bosbach am Dienstagabend nach einer Diskussion in der 'Münchner Runde' des Bayerischen Rundfunks (BR) zugeschriebene Zitat sei so nicht gefallen, sagte ein Sprecher des Redaktionsbüros. (...) Der Sprecher bedauerte das Versehen. Der Bayerische Rundfunk entschuldigte sich bei Bosbach. 'Dieser Fehler hätte nie passieren dürfen', sagte der verantwortliche BR-Redakteur." [1]

Okay, Bosbach ist rehabilitiert. Aber die Idee ist im Grunde gar nicht so schlecht. Warum denn angesichts der offensichtlichen Gefahr für die Rechtsordnung der Bundesrepublik kein Konvertitenregister? Schließlich haben anständige Konvertiten, das sind die, die keine Bomben basteln, nichts zu befürchten. Ob gesetzestreue Menschen in einer Datei erfasst sind, kann ihnen schließlich egal sein. Allerdings sollten wegen des vom Grundgesetz gebotenen Gleichheitsgrundsatzes nicht bloß Konvertiten gespeichert werden. Jeder potenzielle Rechtsbrecher ist ein Risiko. Wenn man genauer nachdenkt, brauchen wir folglich eine Vielzahl solcher Register.

Korruptionsregister: Bei VW haben Betriebsräte auf Kosten des Konzerns mit brasilianischen Prostituierten gevögelt, bei Siemens wurden schwarze Kassen in Milliardenhöhe entdeckt, aus denen vermutlich Bestechungsgelder geflossen sind, und beim Berliner Bankenskandal waren hohe Politiker involviert. Diese Korruptionsfälle sind keine Einzelfälle, vielmehr muss man von einer weitverbreiteten Praxis ausgehen. Auch bei EADS soll es Unregelmäßigkeiten gegeben haben, ebenso bei Ikea, der Deutschen Bahn oder BMW. Laut BKA wurden im Jahr 2005 stattliche 1.649 Ermittlungsverfahren gemeldet. [2] Seit 1996 sind die Ermittlungsverfahren in Korruptionsfällen um 302 Prozent gestiegen. Na, wenn das nicht für die Einrichtung eines Korruptionsregisters reicht. Erfasst werden sollten - rein prophylaktisch, versteht sich - alle Mitarbeiter von Unternehmen ab einer Größe von mehr als 9 Beschäftigten. Das sind in der gewerblichen Wirtschaft laut Statistik lediglich 13,8 Prozent aller Betriebe, demzufolge kann niemand das böse Wort vom "Generalverdacht" in den Mund nehmen. Garnienicht! Immerhin sind wir ein Rechtsstaat.

Politikerregister: Uns alle sind noch diverse Parteispendenskandale in schlechter Erinnerung, etwa die Flick-Affäre, der CDU-Spendenskandal oder die Leuna-Affäre. Die Gefahr, die von den Parteien ausgeht, ist nicht zu übersehen. Zu erfassen sind deshalb sämtliche Vorstandsmitglieder ab Ortsvereinsebene. Und selbstverständlich sind die Arbeitsgemeinschaften sowie die Stiftungen der Parteien davon nicht ausgenommen.

Beamtenregister: Leider sind sogar Beamte nicht vor Korruption gefeit, wie beispielsweise die Ermittlung bei der Europäischen Union oder in den Reihen des BKA gezeigt haben. Beamte sind somit generell zu erfassen, zumindest die oberhalb des (den es praktisch kaum noch gibt). Die vom BKA, die ja stets die Verschärfung der Überwachungsinstrumente fordern, haben bestimmt nichts dagegen.

Umweltsünderregister: Hier mit Beispielen aufzuwarten, ist sinnlos, dazu sind es nämlich viel zu viele. Da die deutsche Autoindustrie beim Katalysator, beim Rußfilter und bei der Einführung der Hybridtechnologie eine äußerst unrühmliche Rolle gespielt hat, sind zwangsläufig sämtliche Fahrzeughersteller zu erfassen. Auch die gesamte Abfallwirtschaft gehört in die Datei, zudem die Energiekonzerne und die Chemieindustrie. Überschneidungen mit dem Korruptionsregister sind dabei leider unvermeidlich. Doch was soll's.

Gammelfleischregister: Wer ißt, setzt sich heutzutage einem erheblichen Risiko aus, insbesondere wenn er dies in Dönerbuden tut. BSE und Vogelgrippe sind weitere Stichworte. Wer gewerbsmäßig mit Lebensmitteln zu tun hat, gehört gespeichert - ob Ein-Mann-Betrieb oder Lebensmittel-Discounter ist gleichgültig. Die Ekelgrenze ist niedrig, die Speicherhemmschwelle somit auch.

GEZ-Register: Hier sind alle Bürger aufzunehmen, die potenzielle Fernsehnutzer sind und damit Schwarzseher sein könnten. Praktisch also jeder.

Bankkontenregister: Wer das Bankgeheimnis schützt, schützt die Steuerhinterzieher. Was, das glauben Sie nicht? Denken Sie mal intensiv nach: Haben Sie bei Ihrer letzten Steuererklärung den Fünfziger von der Oma für Ihre Kinder als Einkommen angegeben? Wie bitte? Weihnachtsgeschenk? Ihnen ist wohl keine Ausrede dumm genug.

Das Verkehrssündenregister gibt es bereits, und zwar in Flensburg. Wenn nicht, müsste es erfunden werden. Allerdings könnte man hier gleich alle Fahrzeugbesitzer registrieren, selbst Radfahrer sind nicht tabu. Nur wer nachweislich (!) noch nie zu schnell gefahren ist oder als Radfahrer unrechtmäßig den Gehweg benutzt hat, darf außen vor bleiben. Für Inline-Skater gibt es jedoch kein Pardon. Und warum sollte man angesichts des volkswirtschaftlichen Schadens Gurtmuffel oder notorische Handybenutzer ohne Freisprechanlage von der Speicherung befreien? Übrigens, wer mit einem Autofahrer telefoniert, macht sich genauso schuldig. Nennt man das nicht Anstiftung zur Übertretung der StVO? Logischerweise sind aus diesem Grund gleich alle Verbindungsdaten aufzuheben. Sicher ist sicher.

Internetregister: Jeder, der einen internettauglichen PC hat, kann - wenigstens theoretisch - auf Schmuddelseiten (Pornographie, Gewaltdarstellungen, Bombenbastelanleitungen, subversive politische Meinungen etc.) zugreifen. Ich weiß, offiziell macht das natürlich niemand, trotzdem sind alle besuchten URLs inklusive der IP-Adressen der Nutzer zu speichern. Gibt es zwar ebenfalls schon, doch dürfte die automatische Übersendung der Erkenntnisse an Arbeitgeber und Ehepartner eine segensreiche, d.h. abschreckende Wirkung entfalten. Lediglich Besucher von Volksmusik-Websites sind völlig unverdächtig. Wer solche Seiten besucht, kann nichts Schlimmes im Schilde führen.

Habe ich etwas vergessen? Das wäre schlimm. Doch wie Sie sehen, sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Bosbachs Idee, Verzeihung, seine ihm fälschlicherweise zugeschriebene Idee, ist ausbaufähig. Von daher ist die Kritik, die sich zunächst über ihn ergoss, schlechterdings nicht nachvollziehbar. Wenn wir dereinst alle in irgendeiner Datei erfasst sind, wird im Land endlich Ruhe einkehren. Denn dann kann ja nichts mehr passieren. Ein Knopfdruck, und der Täter wird den Behörden frei Haus geliefert. So einfach geht das. Anmerkung: Hallen zur Lagerung der Ausdrucke sind bereits angemietet.

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[1] tagesschau.de vom 13.09.2007
[2] BKA, Bundeslagebild Korruption 2005, PDF-Datei mit 248 kb