Home | Archiv | Leserbriefe | Impressum



"Falls Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf,
den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen."
(George Orwell, 1903-1950, britischer Schriftsteller)
 
"Glaube denen, die die Wahrheit suchen,
und zweifle an denen, die sie gefunden haben."
(André Gide, 1869-1951, französischer Schriftsteller)
 
"Ich sah an alles Tun, das unter der Sonne geschieht,
und siehe, es war alles eitel und Haschen nach Wind."
(Kohelet)



14. April 2024, von Michael Schöfer
Sprücheklopfer


Politik besteht zu einem Gutteil aus Schaumschlägerei. So tun als ob und dabei groß die Backen aufblasen, was aber in Wahrheit meist mit wenig Substanz unterfüttert ist. Beispiel Ukraine-Krieg: Spätestens im Herbst 2021 wurde klar, dass Wladimir Putin mit seinem Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze Böses im Schilde führen könnte. Ausdrücklich "könnte", denn gewiss war das bis zum Schluss nicht. Klug wäre jedoch gewesen, sich für den Fall der Fälle vorzubereiten und wenigstens Pläne zu entwickeln, die man spätestens bei Kriegsbeginn aus den Schubladen hätte holen können. Heute muss man fassungslos zur Kenntnis nehmen, dass es offenbar überhaupt keine Pläne gab. Wird schon nicht so schlimm kommen, dachte wohl die Regierung. Fahrlässigkeit? Wunschdenken? Naivität?




13. April 2024, von Michael Schöfer
Genau hinschauen und sorgfältig differenzieren


Man soll die gestiegene Anzahl der Straftaten weder verharmlosen noch überdramatisieren. Dass es 2023 laut der gerade vorgelegten Kriminalstatistik in Deutschland wieder mehr Straftaten gab, ist zwar nicht schön, aber auch kein Grund zur Panik. BILD bezeichnet die Zahlen natürlich wie gewohnt reißerisch als "schockierend", doch von der Springer-Presse erwartet man auch nichts anderes.




12. April 2024, von Michael Schöfer
Volker Wissing will die Dinosaurier künstlich beatmen


Jetzt ernten wir die Folgen einer jahrzehntelangen Fehlentwicklung im motorisierten Individualverkehr: schneller, schwerer, größer. Auch die Dinosaurier wollten nicht einsehen, dass Riesenwachstum keine Zukunft mehr hat. Als sich dann die Verhältnisse durch den Einschlag eines Asteroiden abrupt änderten, sind sie binnen kurzem von der Bildfläche verschwunden. Unser Asteroid ist der menschengemachte Klimawandel, und die Dinos sind beispielsweise die beim Käufer äußerst beliebten SUVs: 2023 mit 30,1 Prozent das stärkste Segment bei den Neuzulassungen. Folge: Der PKW-Bestand steigt genauso wie die durchschnittlichen CO2-Emissionen je Fahrzeug. Nach dem Einschlag in Yucatan setzten sich bekanntlich die wesentlich kleineren Säugetiere durch, wer am Ende den Klimawandel überlebt, ist aber noch offen. Meine Prognose: Schwere, spritfressende SUVs sind definitiv nicht darunter. Übrigens ebenso wenig die sündhaft teuren Elektro-Panzer mit einem Gewicht von mehr als zwei Tonnen.




09. April 2024, von Michael Schöfer
Vertrauen wir doch auf die Weisheit des Gerichts


Nicaragua hat vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) Klage gegen Deutschland eingereicht. Vorwurf: Beihilfe zum Völkermord in Gaza. Ob dort tatsächlich ein Völkermord stattfindet, wird von vielen Völkerrechtlern bezweifelt. So wie etwa von Stefan Talmon, Professor für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht an der Universität Bonn. Auf die Frage, ob Israel einen Genozid begeht, antwortet er: "Nein. Die Frage lässt sich insofern einfach beantworten, als Völkermord rechtlich eine Vernichtungsabsicht voraussetzt. Da gelten hohe Anforderungen. Der Internationale Gerichtshof hat das früher einmal so definiert, dass es keine andere Erklärungsmöglichkeit für ein Tun geben dürfe. Diese Vernichtungsabsicht sehe ich bei Israel aktuell nicht." Allerdings sagt er auch: "Dass Israel Kriegsverbrechen begeht, steht aus meiner Sicht außer Zweifel." Gleichzeitig betont er das Selbstverteidigungsrecht des Landes und die daraus resultierenden Kriegshandlungen. Das Vorgehen gegen Kombattanten (die Kämpfer der Hamas) stehe im Einklang mit dem Völkerrecht. Man muss also akkurat differenzieren. Und da sich der Krieg in Nahost dynamisch entwickelt, gelten solche Stellungnahmen natürlich nur für den aktuellen Wissensstand.




07. April 2024, von Michael Schöfer
So verspielt man Glaubwürdigkeit


Artikel 22 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 sagt klar und deutlich:

"Die Räumlichkeiten der Mission sind unverletzlich. Vertreter des Empfangsstaats dürfen sie nur mit Zustimmung des Missionschefs betreten. Der Empfangsstaat hat die besondere Pflicht, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Räumlichkeiten der Mission vor jedem Eindringen und jeder Beschädigung zu schützen und um zu verhindern, dass der Friede der Mission gestört oder ihre Würde beeinträchtigt wird. Die Räumlichkeiten der Mission, ihre Einrichtung und die sonstigen darin befindlichen Gegenstände sowie die Beförderungsmittel der Mission genießen Immunität von jeder Durchsuchung, Beschlagnahme, Pfändung oder Vollstreckung."




07. April 2024, von Michael Schöfer
Das Einknicken der Politik ist kein gutes Zeichen


Wer unmittelbar von Naturprodukten lebt, etwa die Landwirte oder die Berufsfischer, sollte sich nicht sehenden Auges den Ast absägen, auf dem er sitzt. Unter dem Eindruck der Bauern-Proteste hat die EU-Kommission gerade die vierprozentige Pflichtbrache ausgesetzt, die der Erhaltung der Artenvielfalt dienen sollte. Wenig verwunderlich, denn Trecker, die die Straßen blockieren, sind im Jahr der Europawahl nicht gern gesehen. Aber die eigentliche Frage ist doch, ob die Aussetzung der Pflichtbrache von wahltaktischen Gesichtspunkten abgesehen auch sinnvoll ist. Es besteht schließlich kein Zweifel mehr, dass die Artenvielfalt stark abnimmt und wir momentan ein Artensterben ungeheuren Ausmaßes erleben. Das sechste Massenaussterben in der Geschichte des Lebens auf der Erde, sagen die Experten. Das kann doch die Bauern nicht kalt lassen, denn sie leben von der Natur. Von einer möglichst intakten Natur, wohlgemerkt. Das Artensterben wird zweifelsohne auch die Landwirtschaft tangieren, in der Natur ist ja bekanntlich alles mit allem vernetzt.




03. April 2024, von Michael Schöfer
Wer ein Blutbad wählt, wird auch ein Blutbad bekommen


Liebe Amerikaner,

Ihr lebt nun schon seit 1776 in einer Demokratie, das ist, trotz aller Höhen und Tiefen, die jedes Land durchmacht, echt bewundernswert. Zum Vergleich: In jenem Jahr wurde im Königreich Böhmen (Österreich) gerade erst die Folter abgeschafft. Per Erlass durch Erzherzogin Maria Theresia. Etwas widerwillig und nur aufgrund des Einflusses ihres Sohnes Joseph. Was sie trotzdem nicht davon abhielt, als entschiedene Antisemitin in die Geschichte einzugehen. Doch das nur am Rande. Deutschland existierte damals noch gar nicht, sondern war bloß Teil eines ziemlich unübersichtlichen Konglomerats von formal selbständigen Fürstentümern und Königreichen, das sich hochtrabend als "Heiliges Römisches Reich" bezeichnete.




03. April 2024, von Michael Schöfer
Wie kann man bloß so tief sinken?


Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages definieren Antisemitismus u.a. wie folgt: "Antisemitisches Denken dokumentiert sich aktuell und weltweit auch in bestimmten Formen der Kritik am Staat Israel bzw. an der Politik der israelischen Regierungen gegenüber den Palästinensern, z.B. durch das Messen mit zweierlei Maß, indem man von Israel ein Verhalten einfordert, das von keinem anderen Staat verlangt wird." Insofern ist es im Umkehrschluss definitionsgemäß kein Antisemitismus, wenn man von Israel die Einhaltung des Völkerrechts verlangt, genauso wie man das von allen anderen Staaten erwartet.




02. April 2024, von Michael Schöfer
Bitte an die eigene Nase fassen


In der Printausgabe der Süddeutschen Zeitung erschien am 11. März 2024 auf Seite 9 ein Gastbeitrag von Franz Müntefering: "Besserwisser und Wenigtuer" Was dieses gehässige Nachtreten von Franz Müntefering 25 Jahre (!) nach dem Rücktritt von Oskar Lafontaine soll, wird sich wohl den wenigstens Leserinnen und Lesern erschließen. Beispiele: "Er war und ist und bleibt ein selbstgefälliger Lautsprecher, der Ideen hat und Forderungen, aber sich nur mickrig engagiert. Besserwisser und Wenigtuer." Oskar, der Klugscheißer und Low Performer. "Er blickt in den Spiegel und findet sich toll", behauptet Müntefering. Oskar, der Eingebildete. Frage: Seit wann kann der gelernte Industriekaufmann Gedanken lesen? Oder verdankt der Hobby-Psychologe seine Erkenntnisse einem Videoclip-Studium auf der YouTube-Universität?