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07. September 2006, von Michael Schöfer
Nicht aufhören können


Manche können nie aufhören und müssen dann erleben, daß man sie mehr oder minder unsanft dazu nötigt. Das gilt häufig für Menschen mit Macht und Einfluß. Politiker etwa. Franklin Delano Roosevelt, dreimal (!) Wahlsieger bei den Präsidentschaftswahlen in den USA (1936, 1940, 1944), ereilte vor der Schmach eines unrühmlichen Abgangs - darf man sagen, zum Glück? - noch rechtzeitig der Tod. Immerhin war seine für die Vereinigten Staaten ungewöhnlich lange Amtsdauer, er ist der einzige Präsident, der länger als zwei Amtsperioden im Amt war, Anlaß für den Kongreß, den 22. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten zu beschließen, der die Amtszeit von US-Präsidenten auf maximal zwei Amtsperioden beschränkt. Und wer erinnert sich nicht an Helmut Kohl. Hätte er weniger hartnäckig am Amt des Bundeskanzlers festgehalten und beispielsweise 1996 seinen damaligen Vize Wolfgang Schäuble als Nachfolger inthronisiert, wäre Rot-Grün bei der Bundestagswahl 1998 vielleicht gar nicht an die Macht gekommen. Aber nein, stur, wie er nun mal war, wollte Kohl auch nach 16 Jahren weiterhin Chef bleiben. Der Rest ist bekannt.

Jetzt also Tony Blair. Im Grunde für die Labour-Party eine einzigartige Erfolgsstory (er ist der erste Labour-Premierminister, der eine volle zweite Amtsperiode regierte) - hätte Blair bloß rechtzeitig sein Amt zur Verfügung gestellt. Doch nun reden alle darüber, wann er endlich geht. Tony Blair wird mithin nicht als blendender Wahlsieger in Erinnerung bleiben, sondern als einer, den man hinaustragen mußte. Bei Kohl ist es ja genauso. Wer erinnert sich noch an seine Siege? An seinen Abgang erinnert man sich dafür umso mehr.

Was treibt Menschen dazu, nicht loslassen zu können und dadurch den richtigen Zeitpunkt zu verpassen? Sind es die Auswahlmechanismen in der Politik, die nur solche Charaktere nach oben kommen lassen? Mag sein. Jedenfalls halte ich die Beschränkung auf zwei oder drei Amtsperioden für überaus weise. Schade, daß hierzulande sogar die Grünen mittlerweile davon abgekommen sind. Naja, das mag wiederum an den besagten Auswahlmechanismen liegen. Aber wer weiß, möglicherweise setzt sich der Gedanke ja wieder durch.