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08. November 2006, von Michael Schöfer
Bushs Wahldebakel


Die "Grand Old Party" George W. Bushs hat bei den Kongreßwahlen ein Debakel erlebt. Nach den vorläufigen Stimmergebnissen konnten die oppositionellen Demokraten im Repräsentantenhaus 221 Sitze erobern, die Republikaner kamen dagegen bloß auf 188. [1] Bislang hatten die Demokraten 201 Sitze, die Republikaner 230. Zwar stehen noch Wahlergebnisse von drei Bundesstaaten aus, am Mehrheitswechsel wird sich dadurch aber nichts mehr ändern. Die Politik des Präsidenten wurde von den Wählern in einem Ausmaß abgestraft, daß selbst Unkorrektheiten bei der Stimmabgabe, wie man sie bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 miterleben mußte, nicht weitergeholfen hätten. Dazu war der Abstand viel zu deutlich. Im Senat ist das Rennen allerdings denkbar knapp. Künftig kommen die Demokraten dort auf mindestens 47 Sitze, die Republikaner auf 49. Vorher lag das Verhältnis bei 44 zu 55. Da man freilich auch hier noch auf die Ergebnisse aus zwei Bundesstaaten wartet, könnten die Demokraten am Ende im Senat ebenfalls die Mehrheit knacken. So weit, so gut.

Regieren wird für George W. Bush also schwieriger. Dies gilt vor allem für die Innenpolitik. Angesichts der Vollmacht des Präsidenten, die Außenpolitik weitgehend allein zu bestimmen, ist indes fraglich, ob sich am außenpolitischen Kurs der USA etwas grundlegend ändern wird. Vor allzu großer Euphorie muß demzufolge gewarnt werden. Überdies sind die Demokraten - jedenfalls nach europäischen Maßstäben - keineswegs links einzuordnen. In entscheidenden Situationen knicken sie nämlich häufig ein und scharen sich in patriotischem Überschwang hinter dem Kurs des Weißen Hauses. So zuletzt bei der Entscheidung über den Irak-Krieg oder den höchst bedenklichen Anti-Terror-Gesetzen. Inzwischen sind sie zwar von ihrer früheren Zustimmung peu à peu abgerückt, doch was sie eigentlich wollen, welche konkreten Alternativen sie stattdessen anzubieten haben, bleibt weiterhin offen. Der politische Standort der Demokraten ist in vielen Sachfragen diffus. Manche behaupten sogar, die Wahl zwischen Demokraten und Republikanern sei lediglich die Wahl zwischen Pest und Cholera. Gleichwohl ist der Mehrheitsverlust der Republikaner ein Zeichen dafür, wie dramatisch Bushs neokonservative Strategie mittlerweile an Rückhalt in der Bevölkerung verloren hat. Und die Kongreßwahlen sind ein Menetekel für die nächsten Präsidentschaftswahlen. Offenbar ist für die Amerikaner jede andere Regierung besser als die jetzige. Immerhin ein kleiner Lichtblick. Vielleicht kehren die USA bald zu Vernunft und Rechtsstaatlichkeit zurück. Es wäre ihnen und uns zu wünschen.

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[1] Spiegel-Online vom 08.11.2006, Stand 13:30 Uhr