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08. Januar 2007, von Michael Schöfer
Mieser Politikstil


Manchmal ist Politik ekelerregend, das tritt zum Beispiel in der Gesundheitspolitik zutage. Einige Politiker der Union mosern an der Gesundheitsreform im Allgemeinen und an Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) im Besonderen herum. Es ist müßig, hier das Für und Wider zu erörtern, denn auf diesem komplexen Fachgebiet gibt es nur wenige, die noch einigermaßen durchblicken. Einigermaßen, denn wie wir gerade erleben, können sich selbst hochkarätige Experten nicht auf die konkreten Auswirkungen einigen. So sagt etwa das Kieler Institut für Mikrodaten-Analyse (IFMDA) Baden-Württemberg eine Mehrbelastung von 1,61 Mrd. Euro voraus, Bayern habe eine in Höhe von 1,04 Mrd. Euro. zu verkraften. Der Wirtschaftsweise Bert Rürup kommt dagegen auf ganz andere Zahlen, und zwar auf maximal 92,5 bzw. 97,8 Mio. Euro. Das Rheinisch-Westfälische Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) wiederum schätzt die Mehrbelastung auf höchstens 109 respektive 86 Mio. Euro. Der Normalbürger reibt sich verwundert die Augen und kann auch nicht sagen, wer nun recht hat.

Doch was mich bei dem Ganzen wundert, ist, dass es die von der Union regierten Länder immer wieder schaffen, der Gesundheitsministerin öffentlich die Schuld in die Schuhe zu schieben. War der Gesundheitsfonds, vor dessen möglichen Folgen jetzt alle bibbern, nicht Wunsch der Union? Genau, jeder kann es im CDU/CSU-Wahlprogramm 2005 auf Seite 25f selbst nachlesen. Die SPD wollte schließlich die Bürgerversicherung, nachzulesen in deren Wahlprogramm (Seite 37). Wenn nun Ministerpräsidenten der Union gegen den Gesundheitsfonds wettern und die Schuld dafür auch noch ausgerechnet einer SPD-Ministerin in die Schuhe schieben wollen, ist das in hohem Maße unverschämt. Denn es stand ja im Wahlprogramm der Union, die SPD wollte ursprünglich etwas ganz anderes. Eine Bürgerversicherung, zu deren Finanzierung alle Einkünfte (nicht bloß die der Erwerbstätigen) herangezogen werden, ist in meinen Augen ohnehin das wesentlich schlüssigere Konzept. Auf Ulla Schmidt herumhacken für etwas, was man selbst wollte, ist jedenfalls ein ziemlich mieser Politikstil. Ohne hiermit der SPD Absolution erteilen zu wollen, muss man sagen: typisch CDU/CSU.