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28. August 2007, von Michael Schöfer
Töte und liefere gleichzeitig den Täter


Der Mord an der russischen Journalistin Anna Politkowskaja, die am 07.10.2006 in Moskau erschossen wurde, steht angeblich vor der Aufklärung. Man habe zehn Verdächtige verhaftet, heißt es jetzt. "Die Spur führe zu Oppositionellen im ausländischen Exil, sagte Generalstaatsanwalt Juri Tschaika (...). Unter den Festgenommenen seien ehemalige und aktive Offiziere des Innenministeriums und des Geheimdienstes FSB. Sie seien Teil einer Moskauer Organisation unter Führung eines Tschetschenen. (...) Die Person, die den Mord anordnete, lebt im Ausland", fügte Tschaika hinzu.

Geschickt gemacht. Da wird eine unbeugsame, höchst unbequeme Kritikerin von "Putins Russland" ermordet, und die Ermittler wollen angeblich eine Spur ins Ausland gefunden haben. Keineswegs überraschend führt sie ausgerechnet zu "Oppositionellen im ausländischen Exil", die "Interesse an einer Rückkehr zum alten, kommunistischen System" hätten oder "durch Geld und 'Oligarchen' gesteuert" seien. [1] Mit anderen Worten: Gegner Putins sollen eine Gegnerin Putins liquidiert haben. Sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe - wenigstens aus der Sicht des Kremls. Wenn es optimal läuft, "klärt" die russische Justiz nebenbei auch noch den Fall Litwinenko auf. Unter Umständen also drei Fliegen mit einer Klappe.

Alle Wege führen nach Rom, sagte man früher. Es würde mich nicht wundern, wenn alle Spuren der Verbrechen am Ende zu Boris Beresowski führen. Moskau wird’s schon richten, bekanntlich ist die russische Justiz alles andere als unabhängig. Wie angenehm für Zar Wladimir, stand er doch schon selbst als vermeintlicher Auftraggeber im Fokus der böswilligen Auslandspresse. Und sofern uns überhaupt Beweise präsentiert werden, weiß man diese mit Sicherheit ins rechte Licht zu rücken. Der Schauprozess gegen Michail Chodorkowski hat dies ja hinlänglich belegt. Alles in allem bleiben vorerst starke Zweifel, ob der Mord an Politkowskaja damit wirklich aufgeklärt ist. Skeptiker vermuten eher, hier werde nach dem Motto "Töte und liefere gleichzeitig den Täter" gehandelt. Möglicherweise ein grandioses Schauspiel. Die entscheidende Frage ist, ob wir es ihnen abkaufen.

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[1] Deutsche Welle vom 28.08.2007