Home | Archiv | Leserbriefe | Impressum



05. September 2007, von Michael Schöfer
Theorie und Praxis


Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht ihren Job nicht schlecht. Immerhin hat sie es geschafft, sich als beliebteste Politikerin Deutschlands zu etablieren. Laut ZDF-Politbarometer vom 17.08.2007 nimmt Merkel auf der Rangliste den Spitzenplatz ein (2,0 Punkte), SPD-Chef Beck kommt hingegen bloß auf den sechsten Platz (0,7 Punkte). [1] Doch die Beliebtheit Merkels lässt sich kaum mit ihrer konkreten Politik in Einklang bringen. Sie versucht jedoch, dem Wähler anderes zu suggerieren.

"Die Bewahrung der Schöpfung ist ein zutiefst christdemokratisches Thema", sagt sie etwa zum Stichwort Treibhauseffekt. [2] Klar, Merkel will sich als Umweltschützerin profilieren. Allerdings: "Ich bin dagegen, dass man das jetzt reguliert, sondern ich glaube, man sollte es sachbezogen regulieren", äußert Merkel in Bezug auf die Einführung eines generellen Tempolimits. [3] Übrigens, Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ist der gleichen Meinung: "Eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung sei für die Reduzierung der CO2-Emissionen allenfalls von symbolischer Bedeutung", behauptet er. Ja, ja, immer wenn es konkret wird...

Angela Merkel ist darüber hinaus, man höre und staune, für Gerechtigkeit: "Ich konzentriere mich nicht nur auf eine Gruppe. Es geht nicht zuletzt um eine breite Schicht in der Mitte der Gesellschaft, die erwartet, dass ihre Anstrengungen sich lohnen. 'Wohlstand für alle' ist ein Kerngedanke von Ludwig Erhard. Ich spreche auch von Teilhabe. Bildungszugang zum Beispiel ist heute genauso wichtig wie materielle Fragen." Bildung ist zweifellos wichtig, schließlich haben wir nach wie vor am Pisa-Schock zu knabbern. Und der Zugang zu Bildung ist unstreitig eine Frage der Gerechtigkeit. So weit, so gut.

Doch in der Praxis sieht es, wie so oft, ganz anders aus. In folgenden Bundesländern werden mittlerweile Studiengebühren erhoben: Baden-Württemberg (CDU/FDP-Regierung), Bayern (CSU-Regierung), Bremen (2005 von der SPD/CDU-Koalition beschlossen), Hamburg (CDU-Regierung), Hessen (CDU-Regierung), Niedersachsen (CDU/FDP-Regierung), Nordrhein-Westfalen (CDU/FDP-Regierung) und Saarland (CDU-Regierung). [4] Faktisch läuft es also darauf hinaus, dass vor allem die studieren, die sich ein Studium finanziell auch leisten können. Soviel zu gleichen Bildungschancen. Welche Partei hat die Studiengebühren gewollt? Die CDU natürlich, deren Bundesvorsitzende sich gleichzeitig für Gerechtigkeit beim Bildungszugang ausspricht. Theorie und Praxis sind eben zwei grundverschiedene Dinge.

----------

[1] ZDF
[2] Frankfurter Rundschau vom 05.09.2007
[3] Auto, Motor, Sport vom 27.08.2007
[4] Wikipedia, Studiengebühren