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09. Juni 2008, von Michael Schöfer
Ich bin jetzt bewusst ein bisschen naiv


Weltweit wurden im Jahr 2007 860 Mrd. Euro fürs Militär ausgegeben, davon entfielen allein auf die USA 351 Mrd. Euro. [1] Gerade die USA haben in der Vergangenheit mehrfach Kriege um den Zugang zu Ressourcen geführt, zuletzt im Irak. Kein Wunder, ist doch die westliche Vormacht auf gewaltige Energieimporte angewiesen, im Jahr 2005 führte sie 3,7 Mrd. Barrel Rohöl ein, das sind rund 50 Prozent ihres Jahresverbrauchs. [2] Ohne den Schmierstoff Öl kann die Wirtschaft der Industriestaaten nicht existieren, das wird uns heute, in einer Zeit, in der Ölpreis von Rekordhoch zu Rekordhoch springt, drastisch vor Augen geführt.

Ich weiß, die Realität ist nicht so einfach, wie ich sie im Folgenden darstelle. Doch es geht mir darum, zumindest in groben Zügen aufzuzeigen, was man mit 860 Mrd. Euro alles anfangen könnte.

Eine Windkraftanlage mit einem Megawatt Leistung kostet momentan 890.000 Euro. [3] Demzufolge könnte man für die Rüstungsausgaben des vergangenen Jahres theoretisch Windkraftanlagen mit einer Leistung von 966.292 Megawatt errichten.

In Sachsen soll das weltgrößte Photovoltaikkraftwerk errichtet werden, die Anlage in der Nähe von Leipzig hat eine Leistung von 40 Megawatt und kostet 130 Mio. Euro. [4] Für die gesamten Rüstungsausgaben des Jahres 2007 bekäme man 6.615 solcher Solarkraftwerke mit einer Leistung von insgesamt 264.600 Megawatt.

Zum Vergleich: "Weltweit wurden Ende 2007 210 Kernkraftwerke mit 439 Reaktorblöcken in 31 Ländern und einer installierten Gesamtleistung von 371.976 Megawatt (MW) genutzt." [5]

Natürlich bin ich mir bewusst, dass die Errichtung von Windkraft- oder Photovoltaikkraftwerken nicht so einfach ist, wie es sich anhand der Zahlen anhört. In der Praxis fangen die Schwierigkeiten mit der Standortfrage an und hören mit der Speicherung der überschüssigen Energie noch lange nicht auf. Außerdem haben wir gegenwärtig keine Produktionskapazitäten, die einem derartigen Ausstoß von Anlagen gewachsen wären. Aber im Grunde ist alles lösbar. Keine Zukunftsmusik, sondern Stand der Technik des Jahres 2008. Darüber hinaus würde sich mit der Massenproduktion der Preis pro Megawatt reduzieren, und Photovoltaikkraftwerke in Spanien sind bestimmt ergiebiger als in Ostdeutschland.

Ist es nicht Wahnsinn, dass die Welt jährlich 860 Mrd. Euro für Rüstungsgüter ausgibt, während wir dafür theoretisch 260 (Windkraft) bzw. 71 Prozent (Photovoltaik) der Leistung aller heute laufenden Kernkraftwerke bekommen könnten? Und das jedes Jahr aufs Neue. Wenn wir 10 Jahre lang bloß die Hälfte der Rüstungsausgaben in regenerative Energiearten investieren würden, besäße die Welt Energie im Überfluss - und könnte obendrein, wie allseits empfohlen, die CO2-Emissionen drastisch verringern.

Manchmal muss man träumen, selbst wenn es auf den ersten Blick ein bisschen naiv erscheint.

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[1] Süddeutsche vom 09.06.2008
[2] Fischer Weltalmanach 2008, Seite 507
[3] Bundesverband Windenergie
[4] Das Energieportal vom 19.02.2007
[5] Wikipedia, Liste der Kernkraftwerke