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04. September 2009, von Michael Schöfer
Wahlkampf ist wenig sexy


Am deutschen Wahlkampf ist gar nichts sexy - weder Angela Merkel noch Frank-Walter Steinmeier, weder Claudia Roth noch Guido Westerwelle (der schon gar nicht). Okay, Wahlkämpfer müssen nicht unbedingt sexy sein, bedauerlicherweise sind sie alles andere genauso wenig. Interessant sollten sie sein, geistreich und voller Ideen. Doch was bekommen wir geboten: "Wir haben die Kraft" (CDU), "Unser Land kann mehr" (SPD) und "Deutschland kann es besser" (FDP). Sind wir auf der Olympiade? Früher hatten die Wahlslogans wenigstens noch Biss: "Nun erst recht: Sozialisierung!" (SPD 1949), "Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau!" (CDU 1953), "Gleichstellung in Preis und Lohn für das Landvolk" (FDP 1949) oder "Überführung der Grundstoffindustrie in Gemeineigentum - nicht Herrschaft der Manager und Großaktionäre" (SPD 1953). [1] Das waren noch Zeiten...

Die Parteien würden uns zumindest erheitern, wenn sie die Wahlplakate von anno dazumal verwenden würden. Der Wahlslogan der SPD von 1953 ("nicht Herrschaft der Manager und Großaktionäre") ist erstaunlich aktuell. Und wenn man es recht bedenkt, nähern sich die Wahlergebnisse von heute dem Ergebnis der Bundestagswahl von 1949 langsam wieder an. Damals erreichte die CDU 31 Prozent, die SPD 29,2 Prozent (worüber sie sich bestimmt mächtig freuen würde), die FDP 11,9 Prozent und die KPD 5,9 Prozent. [2] Wetten, wenn ich dieses Ergebnis am 27. September um 16:30 Uhr twittere, dass es dann wieder heißen wird: "Exit-Poll-Skandal - Twitter plagt Bundeswahlleiter"?

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[1] Wahlkampfslogans zur Bundestagswahl
[2] Wikipedia, Bundestagswahl 1949