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29. Januar 2018, von Michael Schöfer
Sündenbock Autoindustrie


Die "Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor" (EUGT), ein von BMW, Daimler, Volkswagen und Bosch vollkommen unabhängiges Forschungsinstitut, hat zehn Affen Diesel-Abgasen ausgesetzt, um deren Wirkung auf den Organismus zu erforschen. Die Bundesregierung ist empört. Nun wurde bekannt, dass es auch Versuche an Menschen gab, 19 Männer und sechs Frauen wurden dem Reizgas Stickstoffdioxid ausgesetzt. Die Bundesregierung ist noch viel empörter. SWR-Umweltexperte Werner Eckert findet das allerdings nicht verwerflich, Luftschadstoff-Untersuchungen mit Menschen seien nämlich nicht unüblich. Er "weist darauf hin, dass die Belastung für Anwohner stark befahrener Straßen höher ist als die für die Versuchsteilnehmer." [1]

Eckert hat absolut recht, unsere arme Autoindustrie wird abermals völlig unschuldig zum Sündenbock gestempelt. Die Versuche mit den Affen und den Menschen fanden kontrolliert unter Labor-Bedingungen statt, zumindest die Menschen dürften vorher auch eine Einwilligungserklärung abgegeben haben (leider sind sämtliche Einwilligungserklärungen der Affen spurlos verschwunden). Die Kritiker, allen voran die Bundesregierung, täuschen sich gewaltig: Wie Eckert bestätigt, findet das eigentliche Experiment unter Freiluftbedingungen statt - und die Versuchskaninchen sind wir alle. Okay, die Anwohner am Neckartor in Stuttgart werden vielleicht noch ein bisschen intensiver getestet als die anderen. Ist die Bundesregierung da empört? Natürlich nicht. CDU, CSU und SPD haben vielmehr in ihrem Sondierungspapier zum Ausdruck gebracht, Diesel-Fahrverbote vermeiden zu wollen. "Den Diesel wird es noch viele, viele Jahre geben", prophezeit Angela Merkel. Frei nach Avery Brundage: "The tests must go on!" Na, und das tun sie dann auch. Dem Verhinderer der blauen Plakette, Alexander Dobrindt, sei Dank.

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[1] tagesschau.de vom 29.01.2018