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03. Juni 2005, von Michael Schöfer
Der Euro kann es niemand recht machen


Als der Euro vor einem halben Jahr, genau zur Jahreswende am 31. Dezember 2004, mit 1,3636 US-Dollar sein bisheriges Allzeithoch erreichte, sahen viele selbsternannte Experten bereits den ökonomischen Untergang Deutschlands nahen. Der harte Euro - etwas, das man früher unaufhörlich propagiert hat - verringere die Exportchancen der hiesigen Unternehmen. Und da der Binnenmarkt sowieso darniederliege, könne das schnurstracks in eine Rezession münden.

Nichts davon ist eingetroffen. Im ersten Quartal 2005 betrug der Außenhandelsüberschuß der Bundesrepublik 43,2 Mrd. Euro, im ersten Quartal 2004 war er jedoch mit 41,3 Mrd. um 1,9 Mrd. niedriger. Der Außenhandelsüberschuß hat sich somit gegenüber dem Vorjahr um stolze 4,6 Prozent erhöht. Trotz des starken Euro. Von einer euroinduzierten Krise kann folglich zumindest beim Export nicht gesprochen werden. Daß der Binnenmarkt immer noch vor sich hindümpelt, hat andere Ursachen, doch daran ist der Eurokurs unschuldig.

Heute, da die Gemeinschaftswährung mit rund 1,22 US-Dollar gehandelt wird, spricht man schon wieder von einer "Euroschwäche". Nach dem Nein der Franzosen und der Niederländer zur EU-Verfassung hat sich der italienische Sozialminister Roberto Maroni sogar laut über die Wiedereinführung der Lira geäußert. Der Euro reagierte daraufhin mit Kursverlusten. Das langsame Abbröckeln des Euro verursacht bei manchen Zeitgenossen offenbar hysterische Zustände.

Von seinem Allzeittief, 0,8225 US-Dollar am 26.10.2000, ist der Euro aber noch meilenweit entfernt. Und damals ist die Welt auch nicht untergegangen. Die ständige Auf- und Abwärtsentwicklung einer Währung ist eine ganz normale Erscheinung, die zudem stets zwei Seiten aufweist. Ein schwacher Euro stärkt den Export und verteuert die Importe (etwa für Rohöl). Bei einem starken Euro ist der Effekt genau umgekehrt. Im speziellen Fall Bundesrepublik hat das allerdings wegen den gesunkenen Lohnstückkosten, sie lagen im ersten Quartal 2005 niedriger als im Jahr 1999, zur Zeit keinerlei negative Auswirkungen.

Die moderne Mediengesellschaft neigt zu haltlosen Übertreibungen und irrationalen Panikreaktionen. Ein niedriger Eurokurs weckt Inflationsängste, ein hoher Eurokurs dagegen Rezessionsängste. Näher betrachtet ist das Ganze innerhalb einer gewissen Bandbreite jedoch kein Grund zur Besorgnis. Die Devisenmärkte werden bekanntlich nicht nur durch die ökonomischen Rahmenbedingungen beeinflußt, sondern ebenso von den weltpolitischen Ereignissen. Letztere entziehen sich freilich häufig der unmittelbaren Einflußsphäre der nationalen Politik.

Es wäre für die Stabilität des Euro wesentlich hilfreicher, wenn man mit einer schlüssigen Wirtschaftspolitik die chronische Krise auf dem Binnenmarkt beenden könnte. Doch davon ist das auf neoliberale Handlungsmuster fixierte Europa momentan weiter entfernt denn je. Die eigentliche Gefahr ist deshalb nicht die Volatilität des Euro, sondern vielmehr die verheerende Wirtschaftspolitik der Regierungen. Das Nein zur EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden zeigt, daß die Bürger das längst kapiert haben. Bei den Politikern besteht diesbezüglich hingegen noch eine enorme Erkenntnislücke.