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"Falls Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen."
(George Orwell, 1903-1950,
britischer Schriftsteller)
"Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben."
(André Gide, 1869-1951,
französischer Schriftsteller)
"Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht."
(Abraham Lincoln, 1809-1865,
amerikanischer Politiker)
"Ich sah an alles Tun, das unter der Sonne geschieht, und siehe, es war alles eitel und Haschen nach Wind."
(Kohelet Salomo)



26. Juli 2024, von Michael Schöfer
Man wird sich an jedes Foul erinnern


In der Politik ist nichts so sicher wie der ständige Wechsel der Zuneigung des Wahlvolks. "Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wäre nach eigenen Worten zu einem früheren Abtritt von seinem Amt bereit gewesen, um den Weg für einen grünen Nachfolger zu ebnen." Cem Özdemir ante portas. Allerdings hat der CDU-Landesvorsitzende Manuel Hagel dabei nicht mitgespielt. Logisch, ein neuer grüner Ministerpräsident könnte bis zur Landtagswahl im Frühjahr 2026 Punkte sammeln und die momentan in den Umfragen führende CDU wieder zurückdrängen. Das wollte Hagel natürlich unbedingt verhindern. Darüber, ob das fair ist oder dem Koalitionsvertrag entspricht, braucht man sich in der Politik nicht zu unterhalten. Wer Fairness erwartet, sollte sich für etwas anderes entscheiden, aber definitiv nicht für die Politik.




26. Juli 2024, von Michael Schöfer
Passt wie die Faust aufs Auge


"'Hunderttausende sind jung, gesund und kassieren Bürgergeld', schimpft der ehemalige Chef der Agentur für Arbeit. Ich befürchte, er hat Recht", schreibt der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel auf Twitter (jetzt X). Diese Sätze erklären das ganze Elend der Sozialdemokratie, die sich von einer Interessenvertretung der Arbeitnehmer, Armen und Entrechteten zu einer Partei des Establishments entwickelt hat.




26. Juli 2024, von Michael Schöfer
Verachtung für die Armen


In Kalifornien gibt es 180.000 Obdachlose und viel zu wenig bezahlbaren Wohnraum. Selbst Arbeitnehmer aus der Mittelschicht können sich angesichts der horrenden Mieten oft keine Wohnung mehr leisten, von Wohneigentum ganz zu schweigen. 2022 kostete in San Francisco die Miete für eine Drei-Zimmer-Wohnung im Schnitt 4.000 US-Dollar. [1] Davon, dass die Reichen immer reicher werden, haben viele überhaupt nichts. Und was macht der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom? Er räumt die Obdachlosen einfach beiseite, was natürlich kein einziges Problem löst. Aber aus dem Auge, aus dem Sinn.

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25. Juli 2024, von Michael Schöfer
Mal wieder ein echter Ploß


Der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß sagte im Deutschlandfunk, "das Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg komme viel zu spät. Die Vorwürfe gegen das Zentrum seien bereits seit Jahren bekannt gewesen. Bundesinnenministerin Faeser handle aber immer erst dann, wenn der öffentliche Druck auf sie zu groß werde."




21. Juli 2024, von Michael Schöfer
Notbremse


Joe Biden hat sich dazu drängen lassen, die Notbremse zu ziehen. Gut so. Dass er seine Kandidatur zurückzieht, war leider notwendig, dazu erschienen seine körperlichen und geistigen Kräfte als zu angeschlagen. Schwer für ihn, aber unumgänglich, denn er hätte wohl gegen Donald Trump keine Chance mehr gehabt. Wahltaktisch geschickt wäre, er würde jetzt auch als Präsident zurücktreten, was übrigens schon Trumps Running Mate J.D. Vance gefordert hat.




21. Juli 2024, von Michael Schöfer
Ach, es ist schon eine Last, Milliardär zu sein


Das Bruttogeldvermögen der privaten Haushalte (Bargeldbestände, Bankeinlagen, Wertpapiere, Ansprüche gegenüber Versicherungen und Pensionseinrichtungen) lag laut Bundesbank Ende Juni 2024 bei 7,9 Billionen Euro. Netto, also nach Abzug der Schulden, waren es 5,8 Billionen. Allerdings ist dieser Reichtum sehr ungleich verteilt: Die vermögendsten 10 Prozent der Haushalte besitzen mehr als 70 Prozent des Nettogeldvermögens, während die untere Hälfte nur über knapp ein Prozent verfügt. Und das Vermögen der Reichen wächst beständig.




19. Juli 2024, von Michael Schöfer
All Alone Am I (ich bin ganz allein)


Das fehlgeschlagene Attentat auf Donald Trump ändert vielleicht den Verlauf des Wahlkampfs und erhöht seine Chancen, noch einmal das Weiße Haus erobern zu können, doch das macht den Ex-Präsidenten nicht weniger gefährlich für die Demokratie. Egal, wie viel Kreide er auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner in Milwaukee gefressen haben mag. Insbesondere, wenn man das schwer nachvollziehbare Urteil des Supreme Courts über die Immunität von US-Präsidenten miteinbezieht. Die Richter haben darin einen faktisch über dem Gesetz stehenden König kreiert, obgleich sich die Verfassung über die Immunität ausschweigt. Sie legt eher das Gegenteil nahe, denn vor Amtsantritt müssen Präsidenten einen Eid ablegen, in dem sie schwören, "die Verfassung der Vereinigten Staaten nach besten Kräften erhalten, schützen und verteidigen" zu wollen. (Artikel II, Abschnitt 1) Präsidenten können sogar aus dem Amt entfernt werden, "wenn sie wegen Verrats, Bestechung oder anderer Verbrechen und Vergehen unter Amtsanklage gestellt und für schuldig befunden worden sind". (Artikel II, Abschnitt 4)




17. Juli 2024, von Michael Schöfer
Ein gefährlicher Irrweg


Das Verbot des laut Verfassungsschutz rechtsextremistischen Magazins Comapct ist ein unter demokratietheoretischen Aspekten höchst fragwürdiger Vorgang, der freilich an einem durchaus tauglichen Beispiel vollzogen wurde. Letzteres macht ihn dennoch nicht besser. Der größte Angriff auf die Pressefreiheit seit Bestehen der Bundesrepublik fand wohl im Jahr 1962 statt, als die Redaktionsräume des Nachrichtenmagazins Der Spiegel durchsucht und leitende Redakteure verhaftet wurden. Vorwurf: Landesverrat. Anlass war der Artikel "Bedingt abwehrbereit" vom 9. Oktober des gleichen Jahres. Letztlich erwiesen sich die Vorwürfe jedoch als haltlos, der damalige Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) musste wegen seiner dubiosen Rolle in der Spiegel-Affäre zurücktreten. Vom Bundesverfassungsgericht wurde dieser beispiellose Machtmissbrauch übrigens nie aufgearbeitet, denn eine dagegen eingereichte Verfassungsbeschwerde des Spiegel-Verlags wurde abgewiesen. Unfassbar.




11. Juli 2024, von Michael Schöfer
Brandgefährliche Entwicklung


Die Medien berichten, dass die USA ab 2026 wieder "Langstreckenwaffen" bzw. "Langstreckenraketen" in Deutschland stationieren werden. Das ist ein brandgefährliches Spiel mit dem atomaren Feuer, von dem man nur dringend abraten kann. Die Stationierung berührt nämlich grundlegende strategische Fähigkeiten, die nichts mit dem Ukraine-Krieg oder mit dem aggressiven Regime von Wladimir Putin zu tun haben. Unser Motto sollte deshalb sein: Was immer du tust, handle klug und bedenke das Ende.




08. Juli 2024, von Michael Schöfer
Bitte keine Spekulationen übers Wahlrecht


Bei den Wahlen in Großbritannien und Frankreich wurde die Machtübernahme durch Rechtsextreme verhindert. Aus diesem Grund könnten manche auf die Idee kommen, auch hierzulande zu einem Mehrheitswahlrecht zu wechseln, solche Forderungen tauchen ja immer mal wieder auf (vorwiegend im konservativen Spektrum). An Großbritannien und Frankreich sieht man allerdings, wie stark das Mehrheitswahlrecht (the winner takes all) die Ergebnisse verzerrt. Dass die Reform UK von Nigel Farage mit 14,3 Prozent der Stimmen bloß 5 Unterhaussitze bekommt, die Liberaldemokraten mit 12,2 Prozent jedoch satte 72, ist zweifellos ein krasses Missverhältnis. Gerecht? Wohl kaum. Wäre es nach einem reinen Verhältniswahlrecht gegangen, wären die Wahlen in Großbritannien (Mehrheitswahl in einem Durchgang) und in Frankreich (Mehrheitswahl in zwei Durchgängen) ganz anders ausgegangen. Andererseits weiß man nicht, wie sich die Wählerinnen und Wähler bei Gültigkeit eines anderen Wahlrechts entschieden hätten.




05. Juli 2024, von Michael Schöfer
Keir Starmer und die Gerechtigkeitsfrage


Labour hat mit Keir Starmer bei der Unterhauswahl einen Erdrutschsieg errungen, nach dem aktuellen Auszählungsstand (05.07.2024, 12:30 Uhr) kommt Labour auf 412 von insgesamt 650 Sitzen. (In Großbritannien gilt ein reines Mehrheitswahlrecht.) Eine komfortable Mehrheit, 86 Sitze mehr als für eine Regierungsübernahme notwendig gewesen wären. Keir Starmers Sieg liegt damit fast auf dem gleichen Niveau wie dem von Tony Blair im Jahr 1997 (418 Sitze), der dreimal hintereinander Unterhauswahlen gewann (1997, 2001, 2005). Doch für den als gemäßigt geltenden Labour-Vorsitzenden fangen die Probleme jetzt erst an. Kann er den hochgesteckten Erwartungen gerecht werden? Wird es für die Briten unter Labour spürbare Verbesserungen geben? Das bleibt abzuwarten, wie ein Blick zurück zeigt.




04. Juli 2024, von Michael Schöfer
Der Supreme Court hat den Rubikon überschritten


Man weiß ja immer viel zu wenig, denn die Lebens- und demzufolge auch die Lesezeit ist bedauerlicherweise begrenzt. Die ungelesenen Bücher werden immer die Oberhand über die gelesenen behalten. Zudem trägt Hollywood einen nicht unerheblichen Teil zur Verfälschung der Geschichte bei. Deshalb ist uns die römische Kaiserzeit mit ihren skurrilen Herrschern scheinbar vertrauter als die vorangegangene römische Republik. Wer erinnert sich nicht an den von Richard Burton gespielten Marcus Antonius (in "Cleopatra" aus dem Jahr 1963) oder an den von Peter Ustinov meisterhaft in Szene gesetzten Nero (in "Quo vadis?" aus dem Jahr 1951)? Doch sind die historischen Begebenheiten tatsächlich so abgelaufen? War Caligula wirklich wahnsinnig oder ist das bloß eine Legende? War Commodus tatsächlich ein Monster oder vielleicht sogar ein fähiger Staatsmann? Die Wahrheit ist oft hinter einem Schleier aus dubiosen Überlieferungen verborgen.




03. Juli 2024, von Michael Schöfer
Melis Sekmen missbraucht meine Wählerstimme


Die Mannheimer Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen enttäuscht ihre Wählerinnen und Wähler, und ich bin einer davon. 2021 habe ich ihr meine Erststimme gegeben und mit der Zweitstimme ebenfalls die Grünen gewählt. Das Direktmandat in Mannheim hat zwar Isabel Cademartori von der SPD gewonnen, doch Sekmen zog über die Landesliste in den Bundestag ein. Natürlich hat eine Abgeordnete das Recht, innerhalb der Legislaturperiode die Partei und damit auch die Fraktion zu wechseln, als Wähler fühle ich mich allerdings um meine Stimme betrogen. Die repräsentative Demokratie ist nämlich durch ihren Wechsel zur CDU nicht mehr ganz so repräsentativ, wie sie es dem Bundeswahlgesetz zufolge sein sollte.




01. Juli 2024, von Michael Schöfer
Es ist gar nicht so schwer zu begreifen


Wenn man in den USA ein gut verdienender Angehöriger des Ostküsten-Establishments ist, wundert man sich vielleicht, warum die Menschen so zwielichtige Typen wie Donald Trump wählen (oder bei uns in Deutschland die AfD). Dabei ist das Rätsel relativ leicht zu lösen, denn der Grund ist die durchaus berechtigte Wut aufs Establishment, das sich vor allem um die Interessen der Vermögenden kümmert, sich jedoch einen Dreck um die Interessen der Durchschnittsverdiener und Armen schert. Man hat den keineswegs abwegigen Eindruck: Egal wen man wählt, ob Republikaner oder Demokraten - die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer. Übertragen auf Deutschland: Ob Schwarz-Gelb, Schwarz-Rot oder Rot-Grün-Gelb - sie kommen und gehen, was bleibt sind Wohnungsnot und horrende Mietpreissteigerungen. Lösungen? Fehlanzeige!




21. Juni 2024, von Michael Schöfer
Trump hätte es nötiger als die Schüler


Religionen tendieren generell zur Intoleranz gegenüber Andersdenkenden und zur Bevormundung von Mitmenschen. Das gilt wohlgemerkt für alle Religionen, keineswegs, wie ein im Westen beliebtes Vorurteil behauptet, bloß für den Islam. In der Menschheitsgeschichte wurde wohl für keine andere Ideologie so viel Blut vergossen, wie für den Glauben an Gott oder die Götter. Im Mittelalter hat man im Namen der christlichen Nächstenliebe sogar Menschen verbrannt. Nicht selten bei lebendigem Leib. Deshalb sollte man insbesondere dann, wenn Politiker damit beginnen, ihren Glauben demonstrativ nach außen zu kehren, hellhörig werden, es könnte nämlich ein schlimmes Unheil drohen.