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20. Januar 2017, von Michael Schöfer
Früher aufwachen wäre besser gewesen


Als Nachtrag meines Posts von gestern: Der Elite scheint wirklich der - Verzeihung - Arsch auf Grundeis zu gehen. Da fordert zum Beispiel ein gewisser Bernard Spitz in der Süddeutschen von heute ein "soziales Bretton Woods". Notwendig sei "eine groß angelegte internationale Initiative. (…)  Ziel muss ... eine ausgleichende Weltordnungspolitik sein, die Wachstum und Teilhabe schafft, indem sie das Soziale in den Mittelpunkt stellt."

Bernard Spitz sagt das nicht, wie etwa Sahra Wagenknecht, als Mitglied einer linksorientierten Partei, was in dem Fall nicht weiter verwunderlich wäre, sondern - man höre und staune - in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied von Frankreichs Arbeitgeberverband Medef. Und wer weiß, wie schlecht in unserem Nachbarland "Patrons" und Arbeitnehmer traditionell miteinander können, wundert sich darüber umso mehr. Waren es doch in der Vergangenheit vor allem die Arbeitgeber, die von den jeweiligen Regierungen (ob konservativ oder sozialistisch) eine Sparpolitik zulasten der Arbeitnehmer einforderten. Stichwort: Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit.

Unternehmer hatten historisch betrachtet noch nie Probleme mit autoritär-nationalistischen Regimen, Hauptsache die Profite stimmten. Aber zwischenzeitlich haben sich offenbar die Produktionsbedingungen unter dem Druck der Globalisierung derart verändert, dass eine Abschottungspolitik à la Marine Le Pen (Abschaffung des Euro, Austritt aus der EU) die international stark verflochtenen Firmen massiv schädigen würde, denn dazu sind mittlerweile die Wertschöpfungsketten viel zu ausdifferenziert. Wer glaubt, ein Citroen wäre zu 100 Prozent "Made in France", irrt gewaltig. Viele Vor- und Zwischenprodukte kommen nämlich aus dem Ausland. Ich bezweifle daher, dass es den Unternehmern um Gerechtigkeit oder Menschenfreundlichkeit geht. Nein, vielmehr sind ihre Geschäftsmodelle in Gefahr. Es geht ihnen, wie immer, bloß um den Profit. Nur wird der heute gerade von Rechtspopulisten bedroht. Inhaltlich kann man Bernard Spitz nicht einmal widersprechen. Nur wären wir erst gar nicht in diese vertrackte Lage gekommen, wenn die Arbeitgeber bereits in der Vergangenheit das Soziale in den Mittelpunkt gestellt hätten.