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10. September 2016, von Michael Schöfer
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt


Ein Unbekannter sägte bzw. hackte vor kurzem in Bayern drei Gipfelkreuze ab. Er hat wohl etwas gegen christliche Symbole, vermutet die Polizei in Bad Tölz. Die Sache ist also keine lapidare Sachbeschädigung, sondern mindestens Blasphemie. Und so etwas passiert ausgerechnet in Bayern, wo die christlich-abendländische Leitkultur den Ton angibt.

Nein, nein, meint Heribert Prantl, bei der Süddeutschen Mitglied der Chefredaktion, das Gipfelkreuz stehe nicht als konfessionelles (christliches) Symbol auf den Bergen, sondern "als Zeichen dafür, dass auch der größte Gipfelstürmer nicht völlig losgelöst ist von der Erde und seinen Mitmenschen". Der Gipfel werde "mit einem Kreuz nicht bekenntnishaft besetzt", es gehöre nur "zu den vertrauten Zeichen der Heimat". Das Abhacken ist mithin keine Gotteslästerung, bloß verschmähte Heimatliebe (was allerdings in Bayern fast das Gleiche ist).

Aber die Reaktionen auf eine Aktion in der benachbarten Schweiz widersprechen der Interpretation Prantls diametral, der Schweizer Künstler Christian Meier hat nämlich auf einem Berg im Kanton Appenzell Innerrhoden einen leuchtenden Halbmond aufgestellt, quasi als Ersatz für das angeblich bekenntnisfreie Gipfelkreuz. Wanderer sind empört, Bergliebhaber entsetzt: "Das ist der Gipfel der Frechheit. Eine bodenlose Sauerei." Wieso eigentlich? Der Halbmond steht dort, um mit Heribert Prantl zu sprechen, doch nicht als konfessionelles (muslimisches) Symbol, sondern lediglich "als Zeichen dafür, dass auch der größte Gipfelstürmer nicht völlig losgelöst ist von der Erde und seinen Mitmenschen". Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.