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| Impressum 04. August 2024, von Michael Schöfer Inkompetenz und Ratlosigkeit "CDU-Chef Friedrich Merz hat mögliche Gespräche über eine Reform der Schuldenbremse von Einschnitten bei Sozialausgaben abhängig gemacht." [1] "Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine, die keine Arbeit in Deutschland aufnehmen, sollen in ihr Heimatland zurückgeschickt werden – so fordert es die CSU im Bundestag. 'Es muss jetzt über zwei Jahre nach Kriegsbeginn der Grundsatz gelten: Arbeitsaufnahme in Deutschland oder Rückkehr in sichere Gebiete der West-Ukraine', sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der 'Bild am Sonntag'." [2] "CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat sich dafür ausgesprochen, mehr als 100.000 Menschen das Bürgergeld komplett zu streichen. 'Die Statistik legt nahe, dass eine sechsstellige Zahl von Personen grundsätzlich nicht bereit ist, eine Arbeit anzunehmen', sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe." [3] "Die Union will den Druck auf Asylbewerber erhöhen. Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, forderte in der Bild-Zeitung 'stärkere Mitwirkungspflichten, wenn es um die Arbeitsaufnahme geht'. Es müsse 'ein Angebot auf Arbeit geben und dieses muss Teil einer Integrationsleistung sein'. Wer zumutbare Arbeit verweigere, müsse mit Leistungskürzungen rechnen, forderte Dobrindt. Zudem solle es ein 'neues soziales Leistungssystem für Asylbewerber geben, das unterhalb des Bürgergeldes anzusiedeln ist'." [4] "Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat bereits klargestellt, wo seiner Meinung nach Einsparungen vorgenommen werden sollten. Er fordert Kürzungen 'im konsumtiven Bereich', insbesondere im Sozialbereich, wie dem Bürgergeld und der Rente." [5] Ein Auszug aus den Pressemeldungen der vergangenen Wochen. Reden wir einmal nicht darüber, ob Vorschläge wie der von Carsten Linnemann rechtlich überhaupt zulässig sind, schließlich hat das Bundesverfassungsgericht Leistungskürzungen beim Regelbedarf allenfalls bis zu einer Höhe von 30 Prozent gebilligt. Reden wir vielmehr darüber, ob Union und FDP bloß noch die Ressentiments bedienen, weil ihnen sonst nichts anderes einfällt. Beispielsweise Vorschläge, die unser Land wieder voranbringen. Beschränkt sich Industriepolitik à la Union und FDP bloß auf Kürzungen im Sozialbereich? Weiß jemand aus dem Stegreif irgendetwas zur Industriepolitik der bürgerlichen Parteien zu sagen? Vermutlich nicht, aber die geforderten Kürzungen im Sozialbereich sind natürlich in aller Munde. Doch bringen die, selbst wenn sie zu realisieren wären, unser Land wirklich entscheidend voran? Die alte Leier, Senkung der Steuern für Unternehmen und Besserverdienende, zählt nicht, weil erwiesenermaßen wirkungslos. Der Trickle-Down-Effekt ist eine Fata Morgana, denn die Reichen werden durch Steuersenkungen bloß reicher, die Armen dagegen ärmer. Der Gini-Index ist ein statistisches Maß für die Ungleichverteilung innerhalb einer Gruppe, je höher der Wert desto ungleicher die Verteilung. Entwicklung des Gini-Index nach der Regierungsübernahme von Gerhard Schröder (SPD), der den Spitzensteuersatz drastisch gesenkt hat. Ersichtliche Folge: Die Ungleichheit ist
gestiegen. [6]
Wird
etwa die Automobilindustrie wieder erfolgreicher, wenn man den
Bürgergeldempfängern den Regelbedarf kürzt? Ist die Windkraft-
und Solarenergieindustrie plötzlich gegenüber China
konkurrenzfähig, wenn man die sogenannte Rente mit 63
abschafft? Es beschleicht einen das ungute Gefühl, Union und
FDP sind lediglich Abbruchunternehmer, die zwar den
Sozialstaat einreißen wollen, aber der Wirtschaft keine
Impulse geben können. In meinen Augen ist das ein Zeichen von
Inkompetenz und von Ratlosigkeit.
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[1]
Tagesspiegel vom 23.05.2024
[2]
Spiegel-Online vom 23.06.2024
[3]
tagesschau.de vom 30.07.2024
[4]
Berliner Zeitung vom 31.07.2024
[5] Frankfurter Rundschau vom 03.08.2024
[6] Our World in Data, Angaben laut Weltbank, CC BY 4.0 (neuere Daten nicht verfügbar) |