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20. April 2025, von Michael Schöfer
Drei spektakuläre Monate


Donald Trump ist jetzt genau drei Monate im Amt und hat schon jede Menge Chaos und Leid verursacht. Sein Hin und Her bei den Strafzöllen führte zu einer erheblichen Verunsicherung in der Wirtschaft. Der Dow Jones-Index ist seit Trumps Amtseinführung um 11,1 Prozent gefallen, der Standard & Poor’s 500 um 12,7 Prozent und der NASDAQ 100 sogar um 15,3 Prozent. Nun ja, Aktien-Indizes interessieren mich nicht, werden Sie vielleicht sagen. Da aber das Gros der privaten Altersvorsorge der Amerikaner in Wertpapieren angelegt ist (401k-Plan), haben Kursverluste an den Börsen gravierende Auswirkungen auf den Lebensabend von Millionen US-Bürgern, denn ein Teil ihrer Rente löst sich gerade buchstäblich in Luft auf. Thank you, Mr. President.

Trump hat aber nicht bloß an den Börsen Verunsicherung ausgelöst, was noch viel stärker ins Gewicht fallen könnte, ist der massive Vertrauensverlust der Anleger. Für US-Staatsanleihen, sonst als sicherer Hafen gerade in Krisenzeiten sehr begehrt, muss Washington ihnen inzwischen höhere Zinsen zahlen, was die Refinanzierung der ohnehin hohen Staatsschulden (zzt. 36,7 Billionen $ = 122 % des BIP) erheblich verteuert. Trumps Wirtschaftspolitik stufen die Anleger offensichtlich als Risiko ein. Ausländer besitzen derzeit US-Staatsanleihen im Wert von 8,8 Billionen US-Dollar (Stand Februar 2025) [1], und Trump tut momentan wirklich alles dafür, Verbündete und Handelspartner vor den Kopf zu stoßen. Dass er diese brauchen könnte, kommt ihm nicht in den Sinn. Obendrein hat der US-Dollar in den letzten drei Monaten gegenüber dem Euro um fast 10 Prozent an Wert verloren. Ob sich die Gemengelage in einer höheren Inflation und geringerem Wirtschaftswachstum niederschlägt, bleibt abzuwarten.

Die Trump-Administration greift außerdem die Demokratie an, setzt teilweise die Gewaltenteilung außer Kraft, denn es werden von ihr sogar Gerichtsurteile missachtet. Trotz der anderslautenden Anordnung eines Gerichts in Washington wurde beispielsweise Kilmar Abrego Garcia nach El Salvador abgeschoben, wo er nun in einem Hochsicherheitsgefängnis inhaftiert ist. Der Supreme Court hat die Trump-Regierung aufgefordert, sich für die Rückkehr von Kilmar Abrego Garcia einzusetzen, was sie bislang allerdings ignoriert. [2] Selbst US-Bürger sind von Abschiebungen bedroht, so wurde etwa Juan Carlos Lopez-Gomez in Florida festgenommen und kam wegen angeblichem illegalen Aufenthalt in Abschiebehaft. Obwohl sein Anwalt die Geburtsurkunde vor Gericht präsentierte, woraus hervorging, dass Lopez-Gomez in Georgia geboren wurde und damit laut Verfassung automatisch die US-Staatsbürgerschaft besitzt, saß er mehr als 24 Stunden in einem Bezirksgefängnis. [3] Donald Trump hat schon darüber sinniert, US-Bürger nach El Salvador abzuschieben, was freilich eindeutig illegal wäre. Aber was schert diese Regierung Recht und Gesetz? Die rechtliche Unsicherheit und einige als Willkür empfundene Maßnahmen (Verweigerung der Einreise trotz gültigem Visum, Ingewahrsamnahme zwecks Abschiebung) lassen selbst den USA-Tourismus einbrechen: "Laut 'Washington Post' kamen im März 17 Prozent weniger Besucher aus Westeuropa, bei den deutschen Touristen gibt es sogar ein Minus von 28 Prozent." [4]

Verheerend könnten sich die Drangsalierungen von Wissenschaftlern und Universitäten auswirken, offenbar hat der Brain-Drain (die Abwanderung von Akademikern ins Ausland) bereits begonnen. So verlässt etwa der Historiker Timothy Snyder sein Land in Richtung Kanada, weil er eine faschistische Diktatur und einen Bürgerkrieg befürchtet. [5] Harvard in Cambridge/Massachusetts (gegründet 1636) ist wohl die renommierteste unter den Spitzenuniversitäten der Vereinigten Staaten und hat die meisten Nobelpreisträger hervorgebracht, doch die US-Regierung hat ihr die staatlichen Zuschüsse gestrichen, zudem will Donald Trump der Harvard Corporation die Steuerbefreiung wegnehmen. [6] Er weiß anscheinend nicht, was er da tut. Grundlagenforschung ist in den USA oft bei den Universitäten angesiedelt, sie gelten dort als die Innovationstreiber. Trumps Vorgehen gleicht einer hysterischen Hexenjagd, so ist den Regierungsbehörden mittlerweile die Verwendung von mehr als 200 Wörtern untersagt. [7] Das muss diese Redefreiheit sein, auf die Vizepräsident J.D. Vance oder Präsidentenberater Elon Musk so viel Wert legen. Doch im "Land der Freien" muss man inzwischen generell aufpassen, was man sagt. Entsprechend entwickelt sich das geistige Klima an den Universitäten.

Trump handelt nach dem Motto: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Und von wissenschaftlichen Fakten hält er sowieso herzlich wenig. Vielleicht sollte Fox News, Trumps Haussender, mal eine Dokumentation über China bringen, damit Trump wenigstens eine Ahnung davon bekommt, wohin seine Politik die USA führen könnte. Oder man schenkt ihm einen Comic, mit Büchern hat er es ja nicht so. China war nämlich bis Ende des 13. Jahrhunderts weltweit technologisch führend, im damaligen vergleichsweise liberalen Land blühten Handel, Literatur und schulische Bildung. Ab Mitte des 14. Jahrhunderts wurde diese Phase jedoch beendet, das "Reich der Mitte" nahm eine konservativere Haltung in Politik, Gesellschaft und Geistesleben ein. Das Land isolierte sich selbst. Folge: Als später die Europäer in Asien auftauchten, war China in Technologie, Bildung und Militär zurückgefallen und unterlegen. Das daraus resultierende "Jahrhundert der Demütigung" ist in China unvergessen. Isolation ist kein probates Mittel, um Führungsmacht zu bleiben. MAGA (Make America Great Again) könnte deshalb rasch zu MASA (Make America Small Again) mutieren.

Donald Trump ist jetzt erst drei Monate im Amt, doch es stehen uns noch lange 45 Monate bevor. Seine Amtszeit endet voraussichtlich am 20. Januar 2029, bis dahin kann er also noch viel Unheil anrichten. Und wenn man sich bei Trump auf eines verlassen kann, dann genau auf das. Wie die Welt nach Trump aussieht, lässt sich nach dem Eindruck des Beginns seiner Regierungszeit bloß als Dystopie beschreiben.

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[1] U.S. Department of the Treasury, Major Foreign Holders of Treasury Securities
[2] tagesschau.de vom 11.04.2025
[3] The Guardian vom 18.04.2025
[4] BR24 vom 19.04.2025
[5] Der Standard vom 27.03.2025
[6] Spiegel-Online vom 17.04.2025
[7] Die Presse vom 11.03.2025

Nachtrag (21.04.2025):
Der von Trump entfachte Irrsinn treibt immer tollere Blüten: Der 19-jährige Jose Hermosillo, der in New Mexico lebt, wurde im benachbarten US-Bundesstaat Arizona verhaftet, weil er dort laut Grenzpolizei "ohne die erforderlichen Einwanderungsdokumente" angetroffen wurde. Ein Bundesrichter wies seine gegen die Festnahme eingereichte Klage ab. Hermosillo war fast zehn Tage in Haft, bis seine Familie den Beamten die Geburtsurkunde und die Sozialversicherungskarte vorlegte. Jose Hermosillo ist Amerikaner. "Er sagte zwar, er sei US-Bürger, aber sie glaubten ihm nicht." [8]


[8] The Guardian vom 20.04.2025