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| Archiv | Impressum 25. Mai 2025, von Michael Schöfer Klima der Angst In Nordkorea gab es beim Stapellauf eines Kriegsschiffs einen Unfall, der neue Zerstörer liegt auf der Seite halb im Wasser. Nicht schön, aber shit happens. Nun ist Nordkorea ein besonderer Fall, denn dort werden Menschen bekanntlich unbarmherzig verfolgt und völlig willkürlich bestraft. Staatschef Kim Jong-un, der bei dem schiefgegangenen Stapellauf persönlich anwesend war, hat bereits eine harte Strafe für die Verantwortlichen angekündigt, er bezeichnete das "katastrophale Versagen" als "kriminellen Akt". Kim führt den Unfall auf "absolute Fahrlässigkeit, Verantwortungslosigkeit und unwissenschaftlichen Empirismus" zurück, staatlichen Medien zufolge sind mittlerweile drei Werftmitarbeiter festgenommen worden. Man kann nur ahnen, was ihnen blüht. Nichts Gutes. Warum sind Diktaturen, in denen der Mann an der Spitze vergleichsweise schnell und ohne lästige Debatten entscheiden kann, eigentlich so ineffizient? Man sagt ja gemeinhin, dass die ständige Konsenssuche in den Demokratien ein Nachteil sei. Sieht man sich allerdings die Welt an, sind gerade die Demokratien ökonomisch und technologisch am weitesten entwickelt und viel erfolgreicher. Staaten wie Russland oder Nordkorea hinken dagegen in fast allen Bereichen hinterher. Das totalitäre China, dessen Entwicklung als ehemalige "Werkbank des Westens" auf eine ganz spezielle Weise verlief, ist vielleicht die einzige Ausnahme. Wohin das Ganze in diesem Fall führt, bleibt abzuwarten. Verantwortlich für die offenkundige Ineffizienz ist u.a. das in Diktaturen vorherrschende Klima der Angst. Die Diktatoren erzielen damit nämlich keineswegs die gewünschten Ergebnisse. Fehler passieren naturgemäß überall, aber in einem Klima das Angst werden sie nicht aufgearbeitet, sondern möglichst vertuscht, denn wer gibt persönliches Versagen zu, wenn er anschließend um seine Freiheit oder sogar um sein Leben fürchten muss? Niemand. Die Staatsführung bekommt stattdessen Erfolgsmeldungen präsentiert, die mit der Realität allerdings herzlich wenig zu tun haben. Außerdem sinkt die Risikobereitschaft, neue Wege einzuschlagen, drastisch, denn es könnte ja etwas schiefgehen. Wobei man sich ein effizientes Nordkorea ohnehin nicht wünschen sollte. Ein Klima der Angst bewirkt also Ineffizienz, und das beileibe nicht nur in Diktaturen, sondern genauso in Demokratien. Donald Trump erzeugt zum Beispiel in den USA gerade auf vielen Ebenen ein Klima der Angst, weil Menschen, die aus seiner Sicht das Falsche sagen oder tun, um ihren Job fürchten müssen. Sichtbar ist das insbesondere an den Universitäten und in den vom Staat abhängigen Wissenschaftsbereichen. Weiß der US-Präsident eigentlich, was er da tut? Nicht ohne Grund hält man in Demokratien normalerweise am bewährten Prinzip der Wissenschaftsfreiheit fest, weil es sich über Jahrhunderte hinweg als das effizienteste erwiesen hat, das die besten Ergebnisse erzielt. Muss die Wissenschaft jedoch politischen Vorgaben folgen und Kürzungen der zugewiesenen Gelder hinnehmen, hat das einschneidende Folgen. Denn das führt oft zu einem schleichenden Niedergang des Landes, dann machen andere wieder mehr Erfindungen und liefern auch die besseren Ergebnisse. Die USA steuern unter Donald Trump auf einen massiven "Brain Drain" zu (der Abwanderung von hochqualifizierten Fachkräften). Viele Wissenschaftler haben bereits das Land verlassen oder suchen zumindest nach neuen Standorten, an denen sie ihre Forschung frei betreiben können. Europa hat dabei keine schlechten Karten, denn es bietet Wissenschaftsexilanten attraktive Bedingungen. In einer Umfrage der Fachzeitschrift "Nature" gaben im März mehr als 1.200 Wissenschaftler (drei Viertel aller Befragten) an, einen Wegzug aus den USA in Erwägung zu ziehen. [1] Sie haben dabei vor allem Europa und Kanada im Blick. "Laut Max-Planck-Gesellschaft hat sich bei einer jüngsten Ausschreibung die Zahl der Bewerbungen aus den USA mehr als verdoppelt. Die Technische Universität München (TUM) verzeichnete bei Programmen für internationale Wissenschaftler ebenfalls einen deutlichen Anstieg an Bewerbungen aus den USA." [2] Der Kampf um die klügsten Köpfe ist längst entbrannt, und hier hat der wissenschaftsfeindliche US-Präsident die schlechteren Karten. Der Brain Drain lässt sich nämlich nicht mit Dekreten aufhalten. Im Gegenteil, er wird durch sie befeuert. Wichtig ist natürlich, dass wir in Europa nicht den gleichen Weg gehen wie die USA, sondern dass wir unsere liberale Demokratie bewahren. Auch bei uns sind die gleichen Kräfte am Werk, die wenig von der Wissenschaft halten und deren Erkenntnisse leugnen. Sie verbreiten ebenfalls ein Klima der Angst und schränken die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit immer weiter ein. Ungarn beispielsweise. Oder neuerdings die Slowakei. Die Wählerinnen und Wähler sollten wissen, dass dies langfristig zum gesellschaftlichen Niedergang führt. ----------
[1]
Nature vom 27.03.2025
[2] RND vom 19.05.2025
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