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15. September 2025, von Michael Schöfer
Schräge Figuren


Die Amerikaner haben mit der Wahl von Donald Trump zugleich schrägen Figuren den Aufstieg ermöglicht, die unter normalen Umständen nicht in ein Regierungsamt gekommen wären. Aber was ist in diesen Zeiten schon normal? Verteidigungsminister Pete Hegseth beispielsweise (oder heißt er jetzt auch Kriegsminister?) gab in seiner Zeit als Fox-News-Moderator zu, "dass er sich seit 10 Jahren nicht mehr die Hände gewaschen habe, weil 'Keime nicht wirklich existieren'. In der Sendung 'Fox and Friends' sagte Hegseth, dass die infektiösen Mikroorganismen nicht existierten, da sie mit bloßem Auge nicht zu sehen seien." Und: "Mein Vorsatz für 2019 ist es, im Fernsehen das zu sagen, was ich auch außerhalb des Fernsehens sage." [1]

Wenn man sich auf Youtube den Ausschnitt der Sendung ansieht, könnte man zu seinen Gunsten noch annehmen, dass er es nicht ernst gemeint hat, denn kann jemand, der wie Hegseth in Princeton und Harvard studierte, das amerikanische Bildungssystem also bis zur Eliteuniversität durchlaufen hat, wirklich der Ansicht sein, Keime würden nicht existieren, weil man sie nicht sieht? Die Erfindung des Mikroskops und die Namen von Louis Pasteur und Robert Koch werden ihm auf diesem Weg hoffentlich irgendwann im Unterricht begegnet sein. Davon abgesehen: Mit welchen Gefühlen ihm sein Amtskollege Boris Pistorius bei offiziellen Treffen die Hand gibt, kann man nur ahnen.

Hegseths skurrile Äußerung würde nicht so ins Gewicht fallen, wenn die Verlautbarungen anderer Mitglieder dieser Regierung rationaler wären. Gefährlich für die Gesundheit der Amerikaner wird es allerdings, wenn der Gesundheitsminister der Ansicht ist, Vitamin A und Lebertran helfe gegen das Masern-Virus. Impfskeptiker Robert F. Kennedy Jr., ebenfalls ein Harvard-Absolvent, allerdings nicht im Fach Medizin, will Bundesmittel für die Entwicklung von neuen mRNA-Impfstoffen streichen, obwohl uns diese in der Corona-Pandemie vergleichsweise schnell geholfen haben. Und das mit nachweislich überzeugenden Ergebnissen. Dass der republikanisch regierte US-Bundesstaat Florida ankündigt, alle staatlichen Impfvorschriften an den Schulen abschaffen zu wollen, ist da bloß das Tüpfelchen auf dem i. Zurück ins Mittelalter, scheint die Marschroute von Donald Trumps Partei zu sein. Inklusive der Rückkehr von Epidemien vermeidbarer Krankheiten.

Dafür spricht auch die emotionale Botschaft von FBI-Chef Kash Patel nach dem Mord an dem rechtsextremen Influencer Charlie Kirk: "An meinen Freund Charlie Kirk: Ruh dich jetzt aus, Bruder. Wir halten Wache. Wir sehen uns in Walhalla." [2] Unglaublich, kann man von einem FBI-Direktor nicht mehr professionelle Distanz erwarten? Hoffentlich lässt diese mangelnde professionelle Distanz an der Spitze des FBI nicht auf die Qualität der Ermittlungen schließen, denn wer ideologisch vorbelastet ermittelt, übersieht wahrscheinlich wichtige Spuren, weil sie nicht ins vorgefertigte Weltbild passen. Außerdem: Was soll die Berufung auf das Walhalla der nordischen Mythologie? Sind wir etwa bei den Wikingern? Dass die nordische Mythologie heute häufig von Rechtsextremisten gepflegt wird, passt wiederum ins Bild dieser faschistisch anmutenden Regierung. [3]

Gäbe es diese Regierung nur im Kino, könnte man sich über ihr Wirken köstlich amüsieren, doch leider ist sie bittere Realität. Da die Trump-Administration offenbar die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft leugnet und Anknüpfungspunkte ans Mittelalter sucht, wird den Amerikanern wohl noch Hören und Sehen vergehen. Es geht nicht bloß um die Demokratie, sondern vielmehr um die westliche Zivilisation, die auf der Emanzipation vom Glauben und in der Hinwendung zur Vernunft beruht. Doch wenn eine Gesellschaft Evidenz durch Bauchgefühl ersetzt, wird sie unweigerlich abstürzen. Nicht sofort, aber allmählich. Dennoch vermutlich rascher, als ihr lieb ist.

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[1] BBC vom 11.02.2019
[2] ntv vom 12.09.2025
[3] DLF vom 16.03.2017