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25. November 2025, von Michael Schöfer
Illegalen Befehlen ist keine Folge zu leisten


Donald Trump ist zornig. Warum? Weil sich sechs demokratische Kongressmitlieder erdreistet haben, die Soldaten der US-Armee dazu aufzurufen, rechtswidrige Befehle zu verweigern. Auf TruthSocial schrieb er daraufhin wutentbrannt: "Das ist wirklich schlimm und gefährlich für unser Land. Ihre Worte dürfen nicht unwidersprochen bleiben. AUFRÜHRERISCHES VERHALTEN VON VERRÄTERN!!! SPERRT SIE EIN??? Präsident DJT" Bloß um später in einem weiteren Post nachzulegen: "AUFRÜHRERISCHES VERHALTEN, strafbar mit dem Tode!"

Wie alle Autokraten glaubt Trump, die Armee hätte ihm gegenüber loyal zu sein, was allerdings ein Trugschluss ist, denn die US-Soldaten werden auf die Verfassung vereidigt, nicht auf den US-Präsidenten. Ihr Eid lautet nämlich wie folgt: "Ich, (Name des Rekruten), schwöre (oder versichere) feierlich, dass ich die Verfassung der Vereinigten Staaten gegen alle Feinde im In- und Ausland unterstützen und verteidigen werde, dass ich ihr meine Treue und Loyalität halten werde und dass ich den Befehlen des Präsidenten der Vereinigten Staaten und den Befehlen meiner Vorgesetzten gemäß den Vorschriften und dem Uniform Code of Military Justice Folge leisten werde. (So wahr mir Gott helfe)."

Sie müssen also loyal zur Verfassung sein und schwören, den Befehlen des Präsidenten zu gehorchen. Letzteres freilich mit der im vorliegenden Zusammenhang nicht unwichtigen Einschränkung: "...gemäß den Vorschriften und dem Militärstrafgesetzbuch". Das Handbuch für Kriegsgerichte erläutert, wie das Militärstrafgesetzbuch auszulegen ist. Zur Rechtmäßigkeit von Befehlen steht dort: "Eine allgemeine Anordnung oder Verordnung ist rechtmäßig, es sei denn, sie verstößt gegen die Verfassung, die Gesetze der Vereinigten Staaten oder rechtmäßige Anordnungen höherer Stellen oder liegt aus einem anderen Grund außerhalb der Befugnisse des sie erlassenden Beamten." [1] Die Betonung liegt auf: "es sei denn…"

Ein Beispiel: In den Nürnberger Prozessen haben die vier Siegermächte (USA, Großbritannien, Frankreich, Sowjetunion) nach den unbeschreiblichen Gräueln der Nazi-Diktatur das Völkerrecht weiterentwickelt. Die "Nürnberger Prinzipien" lauten wie folgt [2]:

1. Jede Person, die ein völkerrechtliches Verbrechen begeht, ist hierfür strafrechtlich verantwortlich.
2. Auch wenn das nationale Recht für ein völkerrechtliches Verbrechen keine Strafe androht, ist der Täter nach dem Völkerrecht strafbar.
3. Auch Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder sind für von ihnen begangene völkerrechtliche Verbrechen nach dem Völkerrecht verantwortlich.
4. Handeln auf höheren Befehl befreit nicht von völkerrechtlicher Verantwortlichkeit, sofern der Täter auch anders hätte handeln können.
5. Jeder, der wegen eines völkerrechtlichen Verbrechens angeklagt ist, hat Anspruch auf ein ordnungsgemäßes Verfahren.
6. Folgende Verbrechen sind als völkerrechtliche Verbrechen strafbar:
a) Verbrechen gegen den Frieden
b) Kriegsverbrechen
c) Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
7. Die Mittäterschaft zur Begehung der genannten Verbrechen stellt ebenfalls ein völkerrechtliches Verbrechen dar.

Das ist seit 1945 verbindliches Völkerrecht. Seitdem kann sich niemand mehr auf darauf berufen, er gehorche bloß den Befehlen seiner Vorgesetzten. Im Umkehrschluss heißt das: Illegalen Befehlen ist keine Folge zu leisten. Wer sie dennoch ausführt, macht sich dadurch strafbar. Wie es das Militärstrafgesetzbuch der USA verlangt. So steht es im Übrigen auch im deutschen Soldatengesetz in § 11 Abs. 2: "Ein Befehl darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde."

Die sechs demokratischen Kongressmitglieder haben also lediglich auf die gültige Rechtslage hingewiesen. Es ist bezeichnend für den aktuellen Zustand der Vereinigten Staaten, dass man für diese Selbstverständlichkeit vom derzeitigen US-Präsidenten mit dem Gefängnis und sogar mit der Todesstrafe bedroht wird. Kennt Trump nicht die Gesetze und seine Befugnisse als Oberbefehlshaber? Letztere sind keineswegs unbegrenzt. Fast alle Juristen sind beispielsweise der Auffassung, dass sein Befehl, in der Karibik mutmaßliche Drogenkuriere auf Booten zu bombardieren, außergerichtliche Tötungen von Zivilisten darstellen und somit illegal sind. Dass die Opfer angeblich Kriminelle waren, ist keine Rechtfertigung. Obendrein fehlen dafür die Beweise.

Die Frage bleibt spannend, ob sich US-Soldaten rechtswidrigen Befehlen von Donald Trump tatsächlich verweigern werden, etwa wenn er sie im Inland gegen die Opposition einsetzen will. Außerdem, ob es angesichts der wüsten Drohungen des US-Präsidenten gegenüber den Kongressmitliedern zu Anklagen kommt. Bei der Anklageerhebung gegen den früheren FBI-Chef James Comey und die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James hat sich ja leider gezeigt, dass das US-Justizministerium mittlerweile zu einem willfährigen Instrument der Trumpschen Willkür geworden ist.

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[1] MANUAL FOR COURTS-MARTIAL UNITED STATES (2024 EDITION), Artikel 92, IV-28, PDF-Datei mit 9,8 MB, Hervorhebung von mir
[2] LpB BW, Die Nürnberger Prozesse