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| Leserbriefe | Impressum 02. Januar 2007, von Michael Schöfer Deutschland abermals Exportweltmeister Deutschland ist Exportweltmeister - und das seit Jahren. Kein anderes Land ist auf dem Weltmarkt auch nur annähernd so erfolgreich. Entgegen der vermeintlich mangelhaften Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft, die die Lobbyisten immer wieder aufs Neue an die Wand malen, haben wir - volkswirtschaftlich betrachtet - gerade in diesem Bereich kräftig abgesahnt. Das belegen die exorbitant gestiegenen Außenhandelsüberschüsse.
Der Anteil des Exports am Bruttoinlandsprodukt ist zwischen 1992 und 2005 um fast 15 Prozentpunkte gestiegen, während der Binnenmarkt mangels Kaufkraft darniederliegt. Ob das selbst für ein traditionell exportorientiertes Land als gesund zu bezeichnen ist, darf bezweifelt werden, denn der Export ist für wechselkursbedingte und politische Krisen (drohender Dollar-Verfall aufgrund riesiger Außenhandelsdefizite der USA, Kriege um Erdölressourcen etc.) von Natur aus anfällig. Der gegenwärtige Export-Boom muss also nicht dauerhaft anhalten. Geraten wir freilich auf diesem Sektor in eine ernste Krise, ist der Binnenmarkt nicht mehr stark genug, um möglicherweise drastisch zurückgehende Exporteinnahmen zu kompensieren. Auch wenn es etliche nicht wahrhaben wollen, Deutschland ist eindeutig ein Globalisierungsgewinner. Es geht demzufolge bei der Globalisierung nicht um das Ob, sondern um das Wie. Knackpunkt hierbei ist die Verteilung dessen, was auf dem Weltmarkt erwirtschaftet wird. Und genau da hapert es. Der enorme Erfolg auf dem Weltmarkt ist zweifellos auf die stark gesunkenen Lohnstückkosten zurückzuführen. Von den Hauptkonkurrenten kann nur Italien einen noch stärkeren Rückgang melden.
Aber die glänzende Seite der Medaille hat eine stumpfe Kehrseite: Die zurückgehenden Lohnstückkosten wurden mit erheblichen Einkommensverlusten der Arbeitnehmer erkauft. Seit der Wiedervereinigung sinken die Reallöhne der Beschäftigten kontinuierlich. Diese Kaufkraft fehlt logischerweise auf dem Binnenmarkt. Mit anderen Worten: Das Geld, das im Export verdient wird, kommt bei den Menschen nicht mehr in Form von Löhnen an. Und die verfehlte Steuerpolitik des Staates tut hier ein Übriges [5]. Wie man sieht, bietet die Globalisierung für weiteren Lohnverzicht keine Rechtfertigung. Im Gegenteil, die Arbeitnehmer können sich durchaus einen tiefen Schluck aus der Pulle gönnen. Volkswirtschaftlich wäre das verkraftbar. Höhere Realeinkommen der Beschäftigten würden das aus dem Lot geratene Gleichgewicht zwischen Export und Binnenmarkt korrigieren. ---------- [1] 1992-2005: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2006/07, Statistischer Anhang, Tabelle 59; 2006: vorläufige Angaben des Bundesverbands des Deutschen Groß- und Außenhandels, Pressemeldung vom 29.12.2006 [2] a) 1992: Fischer Weltalmanach 1994, Seite 1032 b) Fischer Weltalmanach 2007, Seite 689 (Daten 2005 und 2006 nicht verfügbar) [3] Statistisches Taschenbuch 2006, Arbeits- und Sozialstatistik, Herausgeber: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Tabelle 1.2 [4] Statistisches Taschenbuch 2006, Arbeits- und Sozialstatistik, Herausgeber: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Tabelle 9.10 [5] siehe hierzu Das Experiment vom 01.01.2007 Nachtrag (16.01.2007): Anmerkungen zur Datenbasis Ich wollte den Text nicht mit Zahlen überfrachten - davon gibt es sowieso schon mehr als genug. Außerdem habe ich im Internet noch keine exakten Daten in Bezug auf den Gesamtexport der USA im Jahr 2006 gefunden. Gleichwohl bin ich davon ausgegangen, dass Deutschland, wie die Presse bereits verkündet hat, tatsächlich auch 2006 wieder Exportweltmeister geworden ist. Und zwar aufgrund folgender Daten: Export der USA 2005: 904,4 Mrd. US-Dollar Export der USA 1.-3. Quartal 2005: 666,5 Mrd. US-Dollar Export der USA 1.-3. Quartal 2006: 764,2 Mrd. US-Dollar (das ist gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres ein Plus von 14,7 Prozent) [6] Unterstellt man für das gesamte Jahr 2006 die gleiche Steigerungsrate, müsste der Export der Vereinigten Staaten 1.037,3 Mrd. US-Dollar erreicht haben. Deutschland exportierte nach den vorläufigen Zahlen im vorigen Jahr Güter im Wert von 888 Mrd. Euro, das sind nach dem gegenwärtigen Kurs (1,2920) 1.147,3 Mrd. US-Dollar, also 110 Mrd. US-Dollar mehr als der Export der USA. Natürlich muss man dabei die Entwicklung des Wechselkurses berücksichtigen. 2005 betrug der Wechselkurs des Euro im Jahresdurchschnitt 1,25 US-Dollar. Unterstellt man den gleichen Durchschnittswert für 2006, ergibt das als Gesamtexport Deutschlands 1.110 Mrd. US-Dollar - 72,7 Mrd. US-Dollar mehr als die USA. Doch selbst wenn man den tiefsten Kurs der letzten beiden Jahre (1,1669) als Durchschnittswert für 2006 nimmt, beträgt der Export Deutschlands immer noch stolze 1.036,2 Mrd. US-Dollar und würde damit nur unwesentlich (1,1 Mrd. US-Dollar) unter dem hochgerechneten Export der USA liegen. Alles in allem bin ich wohl zu Recht davon ausgegangen, dass Deutschland 2006 abermals Exportweltmeister geworden ist. Nur bei einem absolut ungünstigen Wechselkurs und exorbitant angestiegenem Export der USA in den letzten drei Monaten müsste ich eingestehen, mich geirrt zu haben. Selbstverständlich wäre es mir wesentlich lieber, wir würden über exakte Daten verfügen, allerdings dürften die noch etwas auf sich warten lassen. [6] International Trade Administration |